Mord ist ihre Leidenschaft
Eve trat über die Schwelle und versperrte ihrem Gegenüber sorgfältig den Weg. »Wir haben ein paar Fragen an Sie, Witwe Calhoun.«
Audreys Augen flackerten, ihr Blick wurde kalt, doch ihre Stimme blieb erstaunlich ruhig. »Wie bitte?«
»Diese Runde geht an mich. Wir haben Sie und Ihren Sohn ausfindig gemacht. «
»Was habt ihr mit Liam gemacht?« Audrey fuhr ihre Krallen aus und zielte auf Eves Augen. Die Polizistin jedoch tauchte geschickt unter ihren Armen hindurch, machte eine halbe Drehung und setzte Audrey, die viel kleiner war als sie, mit einem schnellen Würgegriff erfolgreich außer Gefecht.
»Jetzt hört man ihr die Irin wieder an, oder, Peabody? Connecticut, dass ich nicht lache.« Mit ihrer freien Hand zog Eve die Handschellen aus der Tasche ihrer Hose. »Ein wirklich melodischer Akzent, finden Sie nicht auch?«
»Es gibt kaum was, was ich lieber höre.« Peabody nahm ihrer Chefin die gefesselte Audrey feixend ab.
»Wir werden ein nettes, langes Gespräch miteinander führen, Mary Pat, und zwar über Mutterschaft, Misshandlung und anschließenden Mord. Du weißt schon, die drei für dich zusammengehörenden ›Ms.‹«
»Falls du meinem Jungen auch nur ein einziges Haar gekrümmt hast, reiße ich dir das Herz raus und esse es auf.«
»Falls ich ihm geschadet haben sollte.« Eve zog die Brauen in die Höhe und bedachte ihr Gegenüber mit einem todbringenden Blick. »Sie haben ihn bereits der Verdammnis preisgegeben, als er von Ihnen mit der ersten Gute-Nacht-Geschichte von Rache und Vergeltung schlafen gelegt worden ist.«
Angewidert wandte sie sich ab und zog ihr Handy aus der Tasche. »Commander, wir haben einen Durchbruch in dem Fall erzielt. Ich erbitte einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl für die Wohnung und den darin enthaltenen persönlichen Besitz von Audrey Morrell.« Sie machte eine kurze Pause. »Auch bekannt als Mary Partricia Calhoun.«
Liams Versteck fand sich hinter einer doppelten Wand in einer fensterlosen Kammer. Neben den elektronischen Geräten stand ein mit einer Decke aus weißem irischem Leinen, Kerzen und einer herrlich gemeißelten Statue der Mutter Gottes festlich geschmückter Tisch. Über der Figur der Jungfrau hing an einem goldenen Kreuz in einem Amulett das Bild ihres Sohnes.
Hatte Audrey tatsächlich gewollt, dass Liam sie beide als Heilige und Märtyrer ansah? Audrey als die Unberührte, Weise, Auserwählte, die göttliche Mutter mit ihrem geweihten Kind?
»Ich wette, sie hat ihm, während er hier seine Köder legte, regelmäßig Tee und Brote mit abgeschnittener Kruste zur Stärkung gebracht und hat vor jedem seiner mörderischen Ausflüge inbrünstig mit ihm gebetet.«
Statt etwas auf Eves Bemerkung zu erwidern, strich Feeney voller Ehrfurcht über die Geräte. »Ian McNab, haben Sie so etwas schon mal gesehen? So was wie diesen Oszillator? Was für eine Schönheit. Und der mit Multifunktionsoption ausgestattete Transmitter. So etwas ist noch gar nicht auf dem Markt.«
»Nächstes Frühjahr wird es einen geben«, erklärte ihm McNab. »Ich habe dieses Gerät in Roarkes Forschungsabteilung gesehen. Mehr als die Hälfte der Komponenten wurden dort entwickelt und kaum eine davon wird bisher irgendwo verkauft. «
Eve packte ihn am Arm. »Mit wem haben Sie dort geredet und gearbeitet? Ich brauche jeden einzelnen Namen.«
»Ich habe nur drei Techniker getroffen. Roarke wollte möglichst Stillschweigen darüber bewahren, dass ein Polizist in seiner Firma ist. Suwan-Lee, Billings Nibb und A. A. Dillard.«
»Suwan, ist das eine Frau?«
»Ja, eine wirklich reizende Asiatin. Sie war – «
»Nibb?«
»Der Typ weiß einfach alles. Und so alt, dass die Leute in seiner Abteilung Witze darüber machen, dass er bestimmt dabei war, als Bell Watson angerufen hat.«
»Dillard?«
»Ein wirklich cleverer Bursche. Ich habe Ihnen schon von ihm erzählt. Ein echt geschickter Bastler. «
»Blond, grüne Augen, um die zwanzig, circa einen Meter fünfundsiebzig, knappe achtzig Kilo?«
»Ja, woher – «
»Himmel, Roarke hat den Hurensohn auch noch bezahlt. Feeney, kannst du seine Kiste hochfahren und analysieren?«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
»Peabody, wir gehen.«
»Verhören wir jetzt Mary Calhoun?«
»Bald. Erst drücken wir A.A. Dillard seinen Haftbefehl in die Hand.«
A. A. war nicht zur Arbeit erschienen. Dies war das erste Mal, dass er unentschuldigt fehlte, erklärte Abteilungsleiter Nibb. A.A. war ein musterhafter Angestellter,
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