Mord ist nur ein Spiel - Der 1 DANNY McRAE Thriller
wieder in den Viehwaggon hineintreiben. Ich blieb stehen und rauchte eine Zigarette, bis meine Panikattacke abgeklungen war. Dr. Thompson hatte mich davor gewarnt, dass so etwas passieren konnte.
Ich war seit Caldwells Tod noch zweimal bei ihm gewesen. Mich plagten nach wie vor diese quälenden Kopfschmerzen, aber die Anfälle dauerten nicht mehr so lange wie früher und suchten mich auch nicht mehr so häufig heim. Innere Bewältigung, so nannte es der Doc. Die Erinnerungen, die mich nach jeder Attacke überschwemmten, schienen zunehmend eher Ergänzungen von Details als Schlüsselmomente zu sein. Als hätte man eine alte Filmrolle mit kleineren Lücken entdeckt, die aber trotz allem die Gesamthandlung nicht unverständlich werden ließen.
Der Doktor zauberte alle möglichen Erklärungen für das, was vorgefallen war, aus dem Hut. Ich wusste, was ich gesehen hatte. Was Caldwell betraf, war ich mir da nicht so sicher. Nach lediglich drei Monaten hatte der Nebel jener Nacht bereits begonnen, die Erinnerung zu verschleiern.
Ich kaufte mir am Gare d’Austerlitz eine Zeitung und wartete, bis wir die Stadtgrenzen von Paris hinter uns gelassen hatten, bevor ich sie aufschlug. Das geschriebene Französisch konnte ich deutlich besser verstehen als das unkoordinierte Geplapper am Bahnhof. Offenbar kämpfte die Bevölkerung hier mit denselben Nachwirkungen des Krieges wie wir: einer Knappheit an Lebensmitteln, Kohle und Arbeit. Paris schien kaum einen Schornstein verloren zu haben. Trotzdem ließ de Gaulle keine Anzeichen von Dankbarkeit für das erkennen, was wir Briten für die Franzosen getan hatten.
Die Berichterstattung in der heimischen Presse hatte sich in der Woche nach jener verhängnisvollen Nacht grundlegend verändert. Innerhalb von fünf Tagen war ich vom Schurken zum Helden mutiert. Ungeachtet der Indizien, welche die Polizei am Tatort vorfand – Caldwells Hand um seine Waffe war schon steif, als sie endlich eintrafen –, und obwohl Kate meine Version der Geschehnisse bestätigte, wurde ich zunächst als Ripper verhaftet und des versuchten Mordes an einem tapferen Polizisten, der in Ausübung seiner Pflicht verletzt worden war, beschuldigt. Zum zweiten Mal in diesem Monat wanderte ich in den Knast. Diesmal jedoch fassten sie mich mit Samthandschuhen an.
Wilson, besagter tapferer Polizist – verdammt sollte er sein, ich hätte ihn doch verbluten lassen sollen! –, überlebte seine Begegnung mit dem Stuhlbein, musste sie aber mit dem Verlust einer Niere teuer bezahlen. Als wollte er den Beweis erbringen, dass er auch mit einer Niere unausstehlich sein konnte, beschuldigte er mich vom Krankenhausbett aus, ich hätte versucht, ihn umzubringen. Glücklicherweise war er zu krank, um persönlich ein Geständnis aus mir herauszuprügeln, und nach und nach kam ein Teil der wahren Geschichte ans Licht, da Kate, Liza und ich an unseren ursprünglichen Aussagen festhielten.
Natürlich erzählten wir den Hütern des Gesetzes nicht alles. Musste denn wirklich jeder von Kates fragwürdiger Karriere als Hure in Soho erfahren? Oder von den lange zurückliegenden Vorfällen in Frankreich? Ich beschloss außerdem, nicht zu erwähnen, dass Kate über die Morde in London Bescheid gewusst hatte. Warum auch? Um zuzusehen, wie ihr hübscher Hals durch einen Strick verunstaltet wurde? Obwohl, um ehrlich zu sein: In Anbetracht dessen, was ich in ihren Augen lesen konnte, wäre der Galgen für Sie vielleicht sogar eine Gnade gewesen.
Ich hatte Kate in ihrem Wagen zurückgelassen, während ich mich auf die Suche nach einer Telefonzelle begab, um die Polizei zu verständigen. Sie brauchten eine Weile, lange genug, dass wir unseren Text aufeinander abstimmen konnten. Schließlich schafften es sogar die Zeitungen, eine einigermaßen schlüssige Chronik der Ereignisse zu veröffentlichen: Dass der Kriegsheld Caldwell durch die erschütternden Erfahrungen bei seiner Arbeit mit der Resistance ein anderer Mensch geworden war. Dass er in seinem aus dem Gleichgewicht geratenen Geisteszustand angefangen hatte, Menschen zu ermorden. Dass er versucht hatte, mir, seinem alten Gefährten aus Armeetagen, die Schuld in die Schuhe zu schieben, bis ich ihn schließlich zur Rede stellte, er seine Schuld eingestand und sich voller Reue über seine Gräueltaten selbst das Leben nahm.
Obwohl Kate nach wie vor nicht verstand, was am Ende mit Tony geschehen war, deckten sich unsere Standpunkte weitgehend. Vor allem, als sie mir, während wir auf das
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