Mord mit kleinen Fehlern
Lächelns.
Mary DiNunzio runzelte hinter ihrem ordentlichen Schreibtisch die Stirn. »Tut mir Leid, wenn wir zu laut waren. Haben wir dich gestört?«
»Nein, überhaupt nicht.« Annes Wangen färbten sich rot. Sie hätte es besser wissen sollen. Diese Kanzlei war schlimmer als die High School, und sie fühlte sich wie eine Schulversagerin die sich bei den Einser-Leuten eingeschlichen hatte.
»Wie war es vor Gericht?«, fragte Mary. Falls sie von dem nackten Mann gehört hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. Ihr Ausdruck schien interessiert, jedoch nur aus Höflichkeit. Ihr dunkelblondes Haar war zu einem französischen Zopf geflochten, und sie trug eines der khakifarbenen Kostüme von Brooks Brothers, für die sie bekannt war, im Gegensatz zu Judy, die auf der Kommode in einem Jeans-Overall, einem weißen Top und einem roten Tuch in ihrer Prinz-Eisenherz-Frisur saß. Die beiden waren so verschieden, dass Anne ihre enge Freundschaft nie verstehen konnte und den Versuch, sie zu verstehen, längst aufgegeben hatte.
»Äh, vor Gericht lief es gut.« Annes Lächeln verwandelte sich in eine professionelle Maske. Mary hätte Chipster am liebsten selbst vertreten, und Anne hatte immer das Gefühl, sie hätten Freundinnen sein können, wenn die Dinge anders gelagert wären. Wenn sie beispielsweise beide auf dem Planeten Pluto lebten, wo Frauen nett zueinander waren. »Ich habe gewonnen, bin also zufrieden.«
»Mein Gott! Du hast gewonnen?« Mary lächelte. »Ich gratuliere! Wie hast du das geschafft? Es war eine haarige Eingabe.«
»Hoffmeier hat meinen Standpunkt einfach verstanden, nehme ich an.« Anne dachte nicht im Traum daran, ihnen die Geschichte zu erzählen. Es war ein Fehler gewesen, hierher zu kommen. Mit ''hierher'' meinte sie ''Philadelphia''.
Mary wirkte verblüfft. »Womit war er denn einverstanden? Die Fälle waren doch keine Hilfe.«
»Wer weiß? Er hat mir die Begründung jedenfalls abgekauft. Ich muss jetzt los, bin schon spät dran. Ich wollte mich nur verabschieden.« Anne trat aus dem Büro und setzte ein letztes gespieltes Lächeln auf. »Einen fröhlichen vierten Juli. Feiert schön, Mädels.«
»Du hast wahrscheinlich Pläne. Verabredungen mit Männern, stimmt's?«, fragte Mary, und Anne nickte.
»Ja. Also, bis dann.«
»Auch heute Abend? Weil ich ...«
»Ja. Wichtiges Date heute Abend. Ich muss jetzt los.«
»Okay, tja, einen schönen vierten Juli.« Judy nickte. »Ja, wünsche ich auch.«
Aber Anne hatte das Büro bereits verlassen und eilte rasch den Flur entlang. Eine Stunde später trug sie ein übergroßes T-Shirt, ausgebeulte Shirts und Reeboks und stand in einem praktisch leeren Fitness-Studio, um es mit einem elliptischen Life-Fitness-Gerät aufzunehmen, einer teuren Maschine, die das Laufen für Leute simulierte, die es hassten, im Freien zu laufen. SELECT WORKOUT befahl das Display, und winzige rote Lichter blinkten gemeinsam als hilfreicher Pfeil, der auf den ENTER-Knopf wies.
Anne drückte den Knopf, ließ von FAT BURN über CARDIO und MANUAL alles durchlaufen, bis sie zu RANDOM kam, und das gefiel ihr. RANDOM würde ihr ohne Vorwarnung große Hügel in den Weg bauen. RANDOM würde sie auf Trab halten. RANDOM spiegelte das Leben wider.
Anne
Anne packte die Griffe und fing mit dem vorgetäuschten Laufen an. Das Studio war leer bis auf einen Muskelmann an der Leg-Lift-Maschine, der sich selbst im Spiegel beobachtete, ein Narziss auf einer Nautilus. Es war so leise, dass sie das humpta-humpta der Musik hören konnte, das aus dem Spinning kaum nebenan drang. Sie hatte es einmal mit Spinning versuch, aber das musste man in der Gruppe machen, und das bedeutete, dass irgendjemand, männlich oder weiblich oder beides, besser war als sie.
Also trainierte Anne allein vor einer Reihe an der Wand befestigter Fernsehgeräte, sah geradeaus und trug Kopfhörer, deren Kabel in einem Sony-Walkman endeten. Die Batterien des Walkman waren schon lange Zeit leer; er diente ihr nur noch als Schutz davor, angequatscht zu werden. Sie ließ ihren Puls schneller werden, schaute CNN, das mit abgeschaltetem Ton lief, und versuchte, weder das Training noch CNN noch sonst etwas in ihrem Leben zu hassen.
Schließlich hatte sie gewonnen.
Der Gedanke brachte sie zum Lächeln. Ein kleiner Hügel erhob sich vor ihr, und sie joggte den simulierten Anstieg hinauf, die Augen auf das Fernsehgerät gerichtet. Über den unteren Rand des Bildschirms glitten zwei Newsticker mit
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