Mord mit kleinen Fehlern
ohnehin zum Schnaufen. »Ich wusste gar nicht, dass du als Hundesitterin arbeitest.«
»Manchmal, nur aus Spaß. Ich liebe Hunde. Wenn ich auf Hunde aufpasse, nütze ich die Zeit, um sie zu zeichnen.« Willa schlenderte weiter auf ihrem Laufband. »Aber wahrscheinlich gibt es dieses Wochenende viele andere Dinge zu zeichnen. Es findet eine so genannte 'Party am Parkway' statt, und Montagnacht gibt es ein Feuerwerk vor dem Kunstmuseum.«
»O nein, ich wohne direkt am Parkway.« Das war Annes erster Unabhängigkeitstag in Philadelphia, und sie hatte noch gar nicht an etwaige Feierlichkeiten gedacht. Wie sollte sie bei dem Lärm ihre Arbeit erledigen? Verdammt. Auf ihrem Display tauchte der Kilimandscharo auf. Typisch RANDOM. »Ich muss dieses Wochenende unbedingt arbeiten. Wie soll ich das nur schaffen?«
»Hast du kein Büro?«
»Schon, aber ...« Anne wollte Mary und Judy nicht über den Weg laufen. Oder schlimmer noch, Bennie. Die Arbeit war ja ganz okay, wenn nur die Kolleginnen nicht wären.
»Büros sind Scheiße, stimmt's?«
»Haargenau.«
»Warum fährst du nicht weg?« Willas gemächliches Schlendern verlangsamte sich auf Zeitlupe. Bald würde sie sich rückwärts bewegen, und das Fitness-Studio würde sie bezahlen müssen.
»Wegfahren?«
»Du bist doch allein stehend?«
»Und wie.«
»Dann fahr nach Jersey an die Küste. Ich war mal im Norden von Cape May, da gibt es einen Nationalpark. Sehr still und friedlich. Ich habe jede Menge zeichnen können.«
»Zur Küste runter?« Das war der Code für die Jersey-Küste. Jedermann in Philadelphia machte in Süd-Jersey Urlaub. Anders als Los Angeles war Philadelphia keine Sommerfrische für Auswärtige, Gott sei Dank. »Das könnte ich eigentlich tun.«
Willa nahm ihre gemächliche Gangart wieder auf, während Anne sich in die Idee verliebte. Was für eine tolle Möglichkeit, ihren Sieg zu feiern! Sie besaß kein Auto, aber sie mietete stets dasselbe Cabrio, hauptsächlich um am Wochenende Lebensmittel einzukaufen. Der Geschäftsführer der Hertz-Filiale hielt es für gewöhnlich extra für sie zurück; es war ein feuerwehrroter Mustang, der selbst den meisten Zuhältern peinlich gewesen wäre. Anne wollte den Wagen kaufen, sobald sie sämtliche Kreditkartenschulden bezahlt hatte und die Hölle zugefroren war.
»Warum eigentlich nicht?«, sagte Anne. »Ich könnte übers Wochenende wegfahren! «
»Klar könntest du das. Tu etwas Verrücktes. Färbe deine Haare lila.«
»Lieber nicht.« Anne kicherte. Ihre Stimmung hob sich.
»Aber ich könnte ein Reisebüro anrufen. Vielleicht habe ich Glück, und irgendjemand hat die Reservierung für seine Ferienwohnung storniert.«
»Irgendein Anwalt, der in der heißen Stadt bleiben musste.« Willa lachte, und Anne fiel mit ein.
»Der Idiot «
»Genau.«
Dann kam Anne Mel in den Sinn. »Aber ich habe einen Kater. Ich kann ihn nicht allein lassen.«
»Warum sollte ich nicht auch mal auf eine Katze aufpassen? Ich mag Katzen, und ich könnte deinen Kater zeichnen.«
Anne zögerte bei dem Gedanken, eine Fremde in ihr Haus zu lassen, vor allem nach dem, was sie mit Kevin erlebt hatte. Aber Willa war eine Frau. Sie schien eine ehrliche Haut zu sein und, wichtiger noch, kein Psychopath. Anne, die nie auch nur daran gedacht hatte, an die Küste zu fahren, konnte es jetzt kaum erwarten hinzukommen. Sie könnte ununterbrochen arbeiten. Außerdem hatte sie noch nie zuvor den Atlantik gesehen. Anne war ziemlich sicher, dass sie ihn finden würde. »Würdest du dieses Wochenende bitte auf meinen Kater aufpassen, Willa? «, bat sie.
»Ist gut. Ich werde die Katze zeichnen, vielleicht sogar das Feuerwerk. Wenn du am Parkway wohnst, hast du sicher einen prima Ausblick.« Willas Spaziergang kam zu einem Halt. »Willst du nicht lieber gleich los, damit du nicht in den Stau kommst? Ich verlege mein Training auf den Weg zu deiner Wohnung. Übrigens kann ich bei dir auch putzen.«
»Großartig! « Anne drückte den CLEAR-Knopf. »Und zur Hölle mit dem Training! Ich laufe morgen früh am Strand, in der frischen Meeresbrise! Oder vielleicht auch nicht. Ha!«
Noch bevor sich Anne auf den Heimweg machte, hatte sie sich sowohl den Mustang als auch ein Ferienhaus an der Küste gesichert. In ihren Sportklamotten eilte sie daraufhin in den Stadtteil Fairmount, der direkt an das Geschäftsviertel grenzte. In diesem Teil der Stadt wohnte die Oberschicht, dazwischen lagen diverse Kunstmuseen, die Free Library und das
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