Mord ohne Leiche
daran, weil die Zeitungen ihn sehr
herausgestrichen hatten und der Chefermittler, Ben Gallagher, so etwas wie ein
Freund von mir gewesen war. Die veröffentlichten Geschichten hatten mich neugierig
gemacht, und eine Zeitlang hatte ich den Fall genau verfolgt. So fielen mir
jetzt auch die meisten Einzelheiten wieder ein, und Jack half mir beim
Auffrischen meines Gedächtnisses.
Tracy Kostakos war eine Frau von gerade
zweiundzwanzig mit einem ausgeprägten Talent zur Komik gewesen. Im Sommer zuvor
hatte sie am Comedy Celebration Day auf dem Polofeld im Golden Gate Park allen
die Schau gestohlen. Mehrere Monate lang hatte sie in Jay Larkeys schickem Café
Comédie ganz oben auf den Plakaten gestanden. Vorher hatte sie in dem Café in
South Market als Cocktail-Kellnerin gearbeitet. Am zwölften Februar, einem
regnerischen Donnerstag, war sie abends nach Ende ihrer Neun-Uhr-Show
verschwunden. Während das unerwartete nächtliche Ausbleiben einer Frau ihres Alters
in einer Stadt wie San Francisco normalerweise wenig Anlaß gab, Alarm zu
schlagen, hatten Tracys Eltern und Freunde guten Grund zu der Annahme, daß
etwas schiefgelaufen war: Ihr ganzes Leben lang war sie pünktlich und
zuverlässig gewesen — fast übertrieben zuverlässig.
Man vermutete, daß sie vom Café Comédie
aus zu einer Improvisationsgruppe auf dem Dachboden einer Freundin in der Nähe
vom India Basin gefahren war. In dieser Gruppe mit annähernd gleichbleibender
Besetzung hatte sie seit fast drei Jahren mitgemacht und keinen einzigen Termin
versäumt. Ihr Fehlen war auch dort registriert worden.
Diese Improvisationsabende endeten
gewöhnlich gegen zwei Uhr morgens. Tracy kam dann immer direkt in das Apartment
an der Upper Market Street zurück, das sie mit ihrer Freundin Amy Barbour
teilte. Für diesen Morgen hatte sie ihrer Zimmergenossin versprochen, sie beim
Heimkommen zu wecken, und zwar aus einem ganz besonderen Grund: Der dreizehnte
Februar war Amys einundzwanzigster Geburtstag, und die beiden Freundinnen
hatten vor, aus diesem Anlaß feierlich eine erste Flasche Champagner
miteinander zu trinken. Aber Tracy war nicht heimgekommen.
Freitags fuhr Tracy normalerweise nach
Palo Alto, um sich mit ihrer Mutter, Laura Kostakos, zum Lunch zu treffen.
Diesmal wollte sie am Vormittag noch zu einem Termin in einem Besetzungsbüro
für Schauspieler an der Fillmore Street. Es ging um einen TV-Werbespot für die
Wendy-Restaurantkette, den man auf einem Testmarkt im Mittelwesten vorführen
wollte. Sollte sie die Rolle bekommen, war das zwar noch keine Garantie dafür,
landesweit auf dem Bildschirm zu erscheinen, doch es war immerhin schon ein
Schritt in diese Richtung. Und Tracy Kostakos war am lukrativen TV-Markt ebenso
interessiert wie jede andere auf steigende — und völlig unterbezahlte — Comedy-Schauspielerin.
Aber in dem Besetzungsbüro war sie nie erschienen und die Freundinnen, die mit
ihr hätten konkurrieren müssen, waren erleichtert und besorgt zugleich.
In ihrem Büro im Mathematischen
Institut der Universität von Stanford wartete Laura Kostakos auf Tracys Anruf
vom Bahnhof. Tracy hatte gesagt, sie käme wie immer zu ihrer gewohnten
Lunchverabredung um halb zwei in Palo Alto an. Aber als sie um drei Uhr noch
immer nichts von ihr gehört hatte, rief Mrs. Kostakos ihren Mann George in
seinem Büro im Psychologischen Institut an. Auch er hatte nichts von Tracy
gehört. Später hatte Laura Kostakos dann Reportern erzählt, sie habe, obwohl
sie nicht abergläubisch sei, dauernd daran denken müssen, daß es Freitag, der
dreizehnte, war.
Offiziell konnte die Polizei wegen
Tracys Verschwinden vor Ablauf von zweiundsiebzig Stunden nichts unternehmen,
aber schon lange vor diesem Zeitpunkt erreichte ein fehlerhaft auf der Maschine
geschriebener Erpresserbrief das Haus der Kostakos in Palo Alto. Eine
bescheidene Mitteilung, wie es schien: Die Kidnapper forderten nur 250 000
Dollar.
Das FBI wurde eingeschaltet. Die
Kostakos konnten das Lösegeld beschaffen, und zusammen mit Agenten vom FBI
warteten sie auf den für den Sonntagabend angekündigten Anruf der Kidnapper.
Aber er kam nicht. Auch trafen keine weiteren Erpresserbriefe ein. Sie hörten
nie wieder von ihrer Tochter.
Um die Mitte der folgenden Woche
konzentrierten sich die Ermittlungen auf Bobby Foster, der als Parkwächter auf
dem Parkplatz des Café Comédie arbeitete. Einer der anderen Parkwächter und
zwei Stammgäste hatten beobachtet, wie er sich mit Tracy nach ihrer
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