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Mord unter den Linden (German Edition)

Mord unter den Linden (German Edition)

Titel: Mord unter den Linden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Pieper
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furchtsam mit den Augen ab. Der rechte Ärmel war
hochgerutscht und entblößte rötlich braune Narben über dem Handgelenk.
    Funke schraubte
einen Füllfederhalter auf. »Vorname?«
    Schüchtern sah sie
auf. »Dürr. Friederike Dürr.«
    »Geburtsort und -datum?«
    »Hier in Berlin.
Am 3. Dezember 1867.«
    »Familienstand?«
    Sie warf Otto
einen scheuen Blick zu, um gleich darauf zu erröten und den Kopf zu senken.
»Den Richtigen hab ich noch nicht gefunden.«
    »Wie bitte?«,
fragte Funke. »Könnten Sie etwas lauter sprechen? Ich kann Sie kaum verstehen.«
    »Entschuldigung.
Ich sagte, dass ich unverheiratet bin.«
    »Beruf?«
    »Zurzeit habe ich
ein Engagement am Belle-Alliance-Theater. Das Stück heißt ›Der Nautilus‹.«
    »Also Schauspielerin.
Namen der Eltern?«
    »Meine Mutter ist
eine geborene Ravenné und stammt aus einer kleinen Ortschaft bei Paris. Aber
sie ist gestorben, schon vor langer Zeit – an Lungentuberkulose.«
    »Und der Vater?«
    »Dem geht's gut.«
    »Den Namen meine
ich.«
    »Ach so.
Entschuldigung. Ich bin so aufgeregt. Er heißt Dürr, Eberhard Dürr.«
    »Was ist Ihr Vater
von Beruf?«
    »Kunstdrechsler.«
    »Sie wohnen mit
Ihrem Vater zusammen?«
    »Ja, ich besorge
ihm den Haushalt.«
    Funke legte den
Füllfederhalter beiseite, schlug seine Mappe auf und vertiefte sich in seine
Aufzeichnungen. Plötzlich sah er auf und sagte: »Die alte Frau Krause erzählte
uns, dass Sie Elvira Krause wenige Stunden vor ihrer Ermordung, am frühen Abend
des 19. Juli, abgeholt haben, um einen Spaziergang zu unternehmen. Welchen Weg
schlugen Sie ein?«
    »Wir gingen auf
dem kürzesten Weg zum Friedrichshain, dann am Denkmal von Friedrich II . vorbei, bis zum Städtischen Krankenhaus und
schließlich durch den Birkenhain zurück. Elvira brachte mich noch bis zur
Haustür und machte sich dann auf den Heimweg.«
    »Wo sie nie
angekommen ist«, ergänzte der Commissarius. »Ist Ihnen an Elvira Krause etwas
aufgefallen? War sie anders als sonst, verwirrt vielleicht oder traurig?«
    »Sie war noch nie
ein fröhlicher Mensch, und auch an diesem Abend war sie recht still.«
    »Ist Ihnen auf dem
Spaziergang jemand begegnet? Oder wollte Elvira Krause später jemanden treffen?
Hatte sie ein Verhältnis?«
    Friederike Dürr
hob den Kopf. »Mit einem Mann? Nein!«
    »Sind Sie sicher?«
    Die Zeugin blickte
aus dem Fenster und nickte heftig.
    Funke schrieb ein
paar Worte und malte ein Ausrufezeichen dahinter. »Woher kannten Sie Elvira
Krause?«
    Doch statt einer
Antwort brach es plötzlich aus Friederike Dürr heraus: »Haben Sie schon einen
Verdacht? Wissen Sie, wer es war?«
    »Bitte beantworten
Sie nur die Frage, meine Liebe.«
    »Wir waren
Schulfreundinnen. Vor drei, vier Monaten haben wir uns zufällig wieder
getroffen.«
    »Das ist aber
interessant. Elvira Krauses Mutter hat uns nämlich erzählt, dass Elvira in der
Schulzeit Angst vor Ihnen hatte. Sie war sehr überrascht, dass Sie plötzlich
vor ihrer Wohnungstür standen.«
    »Sie wissen doch,
wie das ist. Als Kind ist man grausam zueinander, und später merkt man, dass
die andere doch ganz nett ist. Man verabredet sich, um über alte Zeiten zu
sprechen und so was.« Als der Commissarius sie nur fragend anblickte, setzte
sie hinzu: »Sie müssen doch wissen, wie es ist, wenn man alte Schulkameraden
trifft?«
    »Also habe ich Sie
richtig verstanden, meine Liebe«, sagte Funke, »auf der Schule haben Sie Elvira
gehänselt, dann haben Sie einander aus den Augen verloren, und wenige Wochen
vor Elvira Krauses gewaltsamem Tod treffen Sie sich wieder und sind gute
Freundinnen. Ist das so weit korrekt?«
    »Könnte ich ein
Glas Wasser bekommen?«, fragte Friederike Dürr und leckte sich die Lippen.
    Otto tauchte aus
dem dunklen Strom seiner Erinnerungen auf und gab das erste Lebenszeichen seit
Beginn der Befragung von sich. Schwerfällig schob er den Stuhl nach hinten und
kam auf die Füße. Erst blickte er nach links, dann nach rechts, er wollte schon
losgehen, als ihm einfiel, dass er gar nicht wusste, wo er Wasser und ein Glas
finden würde. Kopfschüttelnd setzte er sich wieder hin.
    »Geht's Ihnen
nicht gut, Herr Doktor?«, fragte Funke. »Soll ich ein Fenster öffnen?«
    »Bemühen Sie sich
nicht«, erwiderte Otto, tastete nach seinem Kragen und weitete ihn. »Es geht
schon.«
    »Wo war ich stehen
geblieben?«, fragte Funke und kratzte sich am Hinterkopf. »Ach ja. Sie sollen
Ihr Wasser bekommen, meine Liebe, aber lassen Sie uns zuerst fortfahren.

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