Mordlicht
Husum.« Dann fingerte er sich eine Zigarette aus
einer zerknitterten Packung, die er aus einer der Taschen seiner fleckigen
Lederweste hervorkramte, und zog sich ein Stück in die Großstraße zurück. Er war
Profi genug, um im näheren Umkreis des Tatorts nicht zu rauchen.
»Mordkomm…?«, wollte Christoph fragen, aber
Friedrichsen winkte ab.
»Das K1 ist schon verständigt. Ebenso der
Erkennungsdienst. Es dauert eine Weile, bis die Kollegen aus Flensburg hier
sind.«
Inzwischen war ein weiteres Fahrzeug eingetroffen. Dem
Mercedes-Kombi entstieg Dr. Hinrichsen, ein Mittvierziger mit vollem Haar und
grauen Schläfen. Er wurde von Mommsen kurz eingewiesen und wandte sich dann dem
Arzt vom Rettungsdienst zu.
»Exitus«, hörte Christoph den Mann mit der signalroten
Jacke und der reflektierenden Aufschrift »Notarzt« sagen.
»Haben Sie schon etwas feststellen können, Herr
Kollege?«, fragte Dr. Hinrichsen.
Der Notarzt schüttelte den Kopf. »Nichts
Aufschlussreiches. Vermutlich Schädelbruch. Es sieht aus, als wäre der Kopf des
Toten mit großer Wucht gegen die Wand geschlagen worden. Dabei ist der
Hinterkopf regelrecht aufgeplatzt. Näheres bleibt der Obduktion vorbehalten.«
Dr. Hinrichsen hatte sich Handschuhe übergestreift und
besah sich den Toten aus der Distanz. Um keine Spuren zu verwischen, wollte er
das Eintreffen der Spurensicherung abwarten, bevor er das Opfer näher
untersuchte.
Große Jäger hatte in der Zwischenzeit mit den beiden
jungen Männern gesprochen, die mit einem Schlag wieder halbwegs nüchtern
schienen.
»Das ist der Obergefreite Neuhof. Ich bin
Hauptgefreiter Abt«, stellte sich der Kleinere der beiden vor. Wir sind von der
San-Staffel der Flugabwehrraketen-Gruppe. Wir waren in der ›Blockhütte‹. Nun
wollten wir zurück zum Fliegerhorst, oben in der Flensburger.«
»Und da habt ihr ordentlich was getankt?«, fragte
Große Jäger.
Jetzt griente Thorben Neuhof. »Da kannst du einen
drauf lassen«, gab er mit unsicherer Stimme von sich, um ein leichtes Rülpsen
folgen zu lassen. Schuldbewusst hielt er die Hand vor den Mund. »’tschuldige.«
Große Jäger nickte ihm zu. »Ist okay. Ich kenn das.«
Dann hatten die beiden von der Entdeckung des Toten
berichtet.
»Habt ihr sonst irgendetwas bemerkt?«
»Nee«, antwortete jetzt Malte, der ein wenig
nüchterner als sein Kamerad wirkte. »Nichts. Absolut null. Weit und breit kein
Schwein zu sehen. Außer ihm da …« Er zeigte mit dem Finger in Richtung des
Toten. »Sorry, wenn ich Schwein gesagt habe. Aber is doch ‘n armes Schwein.
Oder?«
Sie mussten etwa eine Viertelstunde warten, bis sie
schon von weitem das rotierende Blaulicht aus Richtung Marktplatz wahrnahmen.
»Die Kollegen aus Flensburg«, merkte Mommsen an.
Kurz darauf hielt die kleine Wagenkolonne. Aus dem
ersten Fahrzeug sprang ein kleiner, fast kahlköpfiger Mann und kam auf sie zu.
Er hatte die Hände in den Jackentaschen vergraben und den Kopf tief zwischen
den Schultern eingezogen. Es sah aus, als würde er jämmerlich frieren. Erst
räusperte er sich vernehmlich, dann hustete er.
»Moin, Klaus«, begrüßte Christoph den Leiter der
Kriminaltechnik, Hauptkommissar Jürgensen. Der quetschte irgendetwas
Unverständliches zwischen den Lippen hervor, schüttelte sich einmal wie ein
nasser Hund und warf einen Blick auf den Toten.
»Was ist das wieder für eine Ferkelei«, gab er dann
von sich. »Wie unästhetisch. Wenn ihr uns schon mitten in der Nacht in diese
unwirtliche Region lockt, kann man zumindest einen Giftmord erwarten. Oder
einen sauberen Schuss. Von mir aus könnt ihr eure Leichen auch im Säurebad
auflösen. Aber immer wenn ich zu euch komme, fließt Blut. Nicht einmal die
Mörder sind bei euch an der Westküste kultiviert.«
»Wenn bei uns gemordet wird, was selten genug
passiert, dann immer nur von importierten Tätern. Der Nordfriese neigt nicht
zur Gewalttat«, erwiderte Christoph.
Doch Klaus Jürgensen schüttelte nur den Kopf. »Ich
habe schon überlegt, ob ich mir nicht eine Monatskarte von Flensburg nach Husum
kaufe. So oft, wie ich in letzter Zeit zu euch Schlickrutschern musste.«
Aus den anderen Fahrzeugen waren weitere Beamte
ausgestiegen. Als Christoph einen Blick über die Schulter warf, gewahrte er
eine Frau, die halb versetzt hinter ihm stand.
»Hallo«, begrüßte er die Leiterin der Mordkommission.
Frauke Dobermann war er vor einem halben Jahr das erste Mal begegnet. Es war
keine Sympathie, die beide miteinander verband.
Weitere Kostenlose Bücher