Mordlicht
Nacht in Husum gefunden hat.«
»Was ist mit dem?«
»Das ist er. Der Mann, der mich gestern aufgesucht hat
und behauptete, er hätte einen Menschen umgebracht. Nun ist er selbst tot.«
»Sind Sie sich absolut sicher?« Christoph hörte, wie
Pastor Hansen am anderen Ende der Leitung aufstöhnte.
»Soweit die Qualität des Pressefotos es zulässt – ja.
Wenn Sie möchten, wäre ich auch zu einer Identifikation des Toten bereit.
Kennen Sie inzwischen seinen Namen?«
»Nein«, gab Christoph zu, »uns in Husum ist er nicht
bekannt. Aber der Vorgang wird von unseren Flensburger Kollegen bearbeitet.«
»Heißt das, ich soll mich mit denen in Verbindung
setzen?«, fragte Hansen.
»Das übernehmen wir. Haben Sie erst einmal vielen
Dank. Sie haben uns mit Ihrer schnellen Reaktion geholfen.«
Christoph hatte gerade den Telefonhörer aufgelegt, als
Große Jäger ins Büro stolperte. Er wäre fast über eine Leine gefallen, an der
er einen Hund führte.
»Was ist das denn?«, fragten Christoph und Mommsen wie
im Chor.
Der Oberkommissar ließ ein breites Grinsen sehen.
»Das ist ein Hund«, erklärte er. »So weit zur
Erleuchtung all derer, die das nicht selbst erkennen können.«
»Und was sucht der Hund bei uns im Büro?«, wollte
Christoph wissen.
Große Jäger hatte sich auf seinen Bürosessel fallen
lassen und die Leine vom Halsband des Tieres gelöst. Dann versuchte er dem Hund
klar zu machen, dass er Platz nehmen sollte. Doch das Tier schien nicht im
Geringsten hören zu wollen. Es stand da, ließ den Kopf kreisen und sah die
Anwesenden an.
»Das ist mein Hund«, sagte der Oberkommissar. »Soll
ich ihn den ganzen Tag allein in der Wohnung lassen? Ich denke, er stört hier
keinen.«
»Wo hast du den her?« Auch Mommsen zeigte Interesse
für das Tier.
Große Jäger lehnte sich zurück, zündete sich die
obligatorische Zigarette an, parkte seine Füße auf der ausgezogenen
Schreibtischschublade und erklärte kategorisch: »Gekauft. Ein Mann braucht
einen Hund. Wer freut sich darüber, wenn ihr abends heimkommt? Niemand. Da ist
keiner, der mit dem Schwanz wackelt.« Dabei sah er Mommsen an.
Der Hund begann sich unterdessen für das Büro zu
interessieren. Bedächtig schlich er von einem Einrichtungsgegenstand zum
nächsten und beschnupperte ihn.
»Das geht aber nicht, dass du einen Hund mit zum
Dienst bringst«, wies Christoph ihn an. Doch Große Jäger rührte sich nicht.
»Der Hund eines Jägers ist ein Jagdhund, der des
Schiffers ein Schiffshund. Und was ist der Hund eines Polizisten?« Er wartete
einen kurzen Moment ab und sah seine beiden Kollegen an, bevor er fortsetzte: »Siehste. Und damit ist er auch ein Diensthund.«
Inzwischen hatte es sich der Hund unter Mommsens
Schreibtisch bequem gemacht.
»Was ist das überhaupt für eine Rasse? Sieht aus wie ein
Dackel, dem man hohe Beine angezüchtet hat, damit sein Bauch nicht übers
Pflaster schleift«, kommentierte Mommsen.
Große Jäger sah seinen Kollegen mit einem Hauch
Verachtung an. »Das ist eine Dachsbracke, die kleinste der Schweißhunderassen.
Agil, kräftige Erscheinung mit starken Knochen und guter Muskulatur. Das
hirschdunkelrote Fell zeugt von seiner Rasse.« Mitten in seiner Erklärung
stockte er und rümpfte die Nase. Die beiden anderen taten es ihm gleich. Unter
Mommsens Schreibtisch drang eine Wolke üblen Geruchs hervor.
»Scheint so, als müsstest du dich noch einmal genauer
über die Ernährungsgewohnheiten deines Hundes informieren, um seine
Verdauungsprobleme in den Griff zu bekommen«, sagte Christoph und öffnete weit
das Fenster. »Wie heißt der Köter überhaupt?«
Große Jäger zuckte die Schultern. »Darüber habe ich
noch nicht nachgedacht.«
»Jedenfalls ist er ein ganz schöner Blödmann.«
Jetzt strahlte der Oberkommissar. »Genau, das ist es.
Ich werde ihn ›Blödmann‹ nennen.«
»Damit genug. Bei der nächsten Gelegenheit bringst du
ihn heim. Punktum.« Christophs Befehl wollte Große Jäger wohl nicht
widersprechen. »Und nun zurück zur Arbeit. Hatte Pastor Hansens Besucher eine
Vorahnung? Hat er seinen eigenen Tod gemeint? Kaum. Und da er jetzt selbst Opfer
ist, müssen wir davon ausgehen, dass er die Wahrheit erzählt hat, als er Hansen
aufsuchte. Die traurige Wahrheit. Aber verdammt noch mal, wo ist die zweite
Leiche? Ich werde jetzt die Mordkommission informieren.«
Christoph versuchte, Frauke Dobermann zu erreichen.
Die Leiterin der Mordkommission war allerdings nicht in ihrem Büro. So rief
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