Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
besessen auf ihren iPhones herum? Dieser Sebastian schien eine Ausnahme zu sein. Es war fast beneidenswert, wie ruhig und gelassen er war.
Frau Gerstelburger nickte. »Ach, ist das schön, dass du wieder da bist, Bub«, sagte sie freundlich. »Viel zu lange warst du weg.« Dann humpelte sie mit ihren geschätzten hundert Jahren davon.
»Die Frau Gerstelburger kennt mich noch, da war ich ein kleiner Bub«, erklärte Sebastian, obwohl das nach diesem Wortwechsel wohl jeder Volltrottel kapiert hätte.
»Herr Reifenberger …«, fing Gabriel wieder an und legte die Kuchengabel lauter auf den Teller, als es nötig gewesen wäre.
Sandra verdrehte die Augen. Mutter fiepte leise im Schlaf. Bestimmt träumte sie von Teichen, in denen sie herumbuddeln und Tote zutage fördern konnte.
»Er war halt manchmal ein bisschen aggressiv.« Sebastian überlegte. »Ja, das war er wohl.«
»Könnten Sie uns das ein bisschen detaillierter erklären?«, bat Sandra freundlich.
»Manchmal ist er ausgerastet, und dann hat er sich geprügelt. Da sind schon mal Zähne geflogen, und das Blut ist gespritzt«, erzählte Sebastian so gleichmütig, als spräche er von Valentins Tätigkeit als zuverlässigem Messdiener, der seinen Lebensinhalt darin sah, mit gütiger Miene Weihrauchgefäße zu schwenken.
»Aber erst seit ein paar Monaten«, fügte Sebastian hinzu. »Früher war er nur in sich gekehrt. Sehr ruhig. Kirchgänger. Er wollte sich wohl auch politisch mehr engagieren.«
»Und seine Frau? Wie ist die so?«
»Die ist Grundschullehrerin in Spindelfeld, ein paar Kilometer von hier. Die beiden sind schon lange zusammen.«
»Also«, resümierte Gabriel. »Herr Reifenberger war seit einiger Zeit aggressiv, früher war er das nicht, sondern eher introvertiert, und da ist er auch in die Kirche gegangen. Von seiner Frau gibt es nichts Auffälliges zu berichten?«
Sebastian schüttelte den Kopf, während Frau Gerstelburger den Kaffee auf den Tisch stellte. »Ach, ist das schön, dass du wieder da bist, Bub«, sagte sie wieder. »Schlimm, das mit dem Valentin«, redete sie weiter. »Hab’s vorhin vom Willi erfahren. Schlimm, und sein Kompagnon auch, schlimm, schlimm. Aber vielleicht hat er’s ja verdient, wer weiß das schon?«
Gabriel wurde hellhörig. »Wie meinen Sie das? Und wer ist der Willi?«
»Ach, ich red viel dahin, wenn der Tag lang ist«, sagte die Wirtin lächelnd. »Und der Willi ist der Zebhauser Willi.«
Natürlich. Er war ja singen. Natürlich. Wahrscheinlich wusste es inzwischen schon der ganze Landkreis; gleich würden windige Reporter antanzen und blöde Fragen stellen und die Ermittlungen behindern, und das bloß wegen dem Willi Zebhauser.
»Das ist doch schön, dass Sie viel reden«, sagte Sandra unterdessen zur Wirtin. »Reden Sie ruhig weiter,«
Aber Frau Gerstelburger hatte nichts mehr zu sagen, sondern begab sich an den Nebentisch, um eine Bestellung aufzunehmen. Gabriel notierte sich innerlich, dass er die alte Dame beobachten würde. Diese Alten wussten alles, was in einem Ort so passierte.
»Ja, ja«, sagte Sebastian und trank seinen Kaffee.
Frau Gerstelburger kam zurück.
»Ach, ist das schön, dass du wieder da bist, Bub«, sagte sie. »Warst viel zu lange fort.« Dann ging sie weiter.
»Sie ist dement«, erklärte Sebastian, und Gabriel beschloss, sie doch nicht zu beobachten, das konnte er sich sparen.
Sebastian sagte nachdenklich: »Ich möchte mal wissen, was jetzt aus der Firma wird. Der Valentin und der andere, Roland Debus, hatten beide keine Kinder. Nur ihre Frauen, die sind gut befreundet, aber das wissen Sie bestimmt schon.«
Gabriel nickte. Sobald die beiden Frauen aus Österreich wieder da waren, würde er sie sich mit Sandra zusammen vorknöpfen.
»Können Sie uns noch was über Herrn Debus sagen?«, fragte er dann.
Sebastian schüttelte den Kopf. »Über den kann Ihnen eigentlich niemand was sagen, da bin ich sicher. Der Debus ist fast nie im Büro, der macht die ganzen Auswärtstermine und ist oft wochenlang weg. Und seine Frau ist irgendwie arrogant. Die will mit uns nix zu tun haben. Jedenfalls hab ich so den Eindruck.« Er überlegte kurz. »Über die wird noch nicht mal getratscht, weil es da nix zu tratschen gibt. Jedenfalls war das früher so. Glaub nicht, dass sich das geändert hat.«
»Sag mal, wieso findet man die beiden ausgerechnet in einem Teich so weit ab vom Schuss? Und dann auch noch in so einem Klostergarten? Was hatten die denn da verloren? Zumal der eine ja zum
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