Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
Verwesungsprozess schneller fortschreitet als in der kälteren Jahreszeit, reden wir von ein paar Tagen bis zu ein paar Wochen.«
»Genauer geht es nicht?«, fragte Gabriel höflich und versuchte, ihm nicht in die Augen zu blicken. »Was ist mit Fremdeinwirkung? Was ist mit diesen Malen am Hals und an den Handgelenken, sehen Sie die? Das am Hals, könnten das Würgemale sein? Können Sie mir nicht doch schon sagen, wie die beiden gestorben sind?«
Ferdinand Kühn schielte ihn böse an. Er schien es nicht zu mögen, wenn ihm jemand seine Arbeit erklärte.
»Das ist meine erste Einschätzung«, sagte er. »Mehr erfahren Sie, wenn ich eine gründliche Obduktion vorgenommen habe. Ich muss das alles, wie gesagt, überprüfen. Und ja, ich bin durchaus in der Lage, Würgemale zu erkennen.« Er zog seine Handschuhe aus und nickte Gabriel zu, der sich ein Lächeln abrang und böse hinterherschaute, als der Rechts mediziner in sein Auto stieg und wegfuhr.
»Da fährt er hin«, sagte der Zebhauser, der plötzlich neben ihm stand und zwirbelte. »Jetzt sind wir wieder ganz allein.«
Gabriel sah ihn an. Der Zebhauser tat ja gerade so, als hätte man ihn in der Tundra ausgesetzt. Außerdem stimmte diese Aussage nicht ganz. Die beiden Leichen waren ja auch noch da. Und die Spusi und die Leute, die die beiden Lei chen nach München schaffen sollten, beaufsichtigt von einem Assistenten von Kühn, der dafür Sorge trug, dass an den beiden Männern nichts verändert wurde.
»Ich muss dann mal …«, der Zebhauser schaute auf seine Uhr. »Das Singen, das Singen.«
»Nein, warten Sie bitte noch ein bisschen«, bat Gabriel ihn. »Sie kennen doch sicher alle oder zumindest viele Leute hier im Ort, da können Sie mir vielleicht bei der Identifizierung behilflich sein.«
Der Zebhauser grummelte etwas vor sich hin, schien sich aber zu fügen, und Gabriel ging mit ihm zu den Toten hinüber.
Bei dem einen Mann handelte es sich in der Tat um Valen tin, der mit Nachnamen Reifenberger hieß, der zweite war, was der Zebhauser sofort feststellte, sein Partner Roland Debus.
Mit ihm besaß Valentin ein gut gehendes Maklerbüro. Ge nauer gesagt, er hatte es besessen.
Debus hatte noch niemand vermisst. Er hatte angekündigt, auf einen Auswärtstermin zu fahren, der einige Zeit in Anspruch nehmen sollte. Der Zebhauser versuchte auch, die Ehefrauen der beiden zu erreichen; sie waren allerdings für ein paar Tage gemeinsam unterwegs, zu einem Kurzurlaub in einem Wellnesshotel in Österreich. Von dort aus waren sie heute in Richtung Heimat losgefahren.
Ein Mitarbeiter der Spurensicherung machte mit seiner Digitalkamera Unmengen von Fotos von den Toten und der Umgebung. Gabriel beobachtete den Fotografen und dachte nach. Dann ging er zu ihm hin.
»Gibt es hier wohl irgendjemanden, der mir einen Kaffee spendiert?«, fragte er freundlich.
Der Fotograf deutete auf seine Umhängetasche, aus der eine Thermoskanne und einige Pappbecher ragten. »Nehmen Sie sich einen Becher.«
»Würden Sie das für mich tun? Ich hab so schmutzige Hände«, sagte Gabriel. Es stimmte, seine Hände waren dreckig, dafür hatte Mutter schon gesorgt.
»Na klar.« Der Mann legte die Kamera auf einen Baumstumpf und ging zu seiner Tasche, an der er umständlich herumnestelte.
Gabriel griff eilig nach der kleinen Kamera und steckte sie sich schnell in den Hosenbund. Dann nahm er den Plas tikbecher entgegen und lächelte dem Mann zu. »Vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen.«
»Unter Kollegen muss man sich doch helfen«, sagte der andere.
Gabriel nahm einen Schluck Kaffee, lächelte und stapfte mit dem Becher in der Hand schnell davon. Mutter zog er an der Leine hinter sich her. Er hörte noch, wie der Spusi-Kollege meckerte: »Wo ist denn jetzt meine Kamera? Josef, hast du die? Ich hab die doch da hingelegt …« Dann duckte sich Gabriel unter dem Rot-Weiß-Band hindurch.
Während er am Teich entlangging, blinzelte er in die Sonne. Ein herrlicher Tag – und eigentlich hatte er frei. Sollte er sich wirklich um diesen Fall kümmern, über den er doch nur gestolpert war? Eigentlich war er noch immer der Mordkommission in München zugeordnet und wurde am Montag wieder im Polizeipräsidium erwartet …
Aber da klingelte auch schon sein Handy. Sandra, seine Assistentin, war dran.
»Weißt du schon? Bei dir in der Nähe soll es zwei Tote ge geben haben«, fing sie aufgeregt an.
»Der Revierfunk funktioniert ja wirklich perfekt«, sagte Gabriel sarkastisch. »Ich weiß
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