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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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eigenwilligen Hilary Hahn, der blaustrümpfigen Julia Fischer und eben auch der unbekümmerten Baiba Skride. Man rühmte sie als bestens ausgebildet, technisch versiert, ehrgeizig, fleißig und vor allem vernünftig. Den Kritikern wurde bange bei so viel Vernunft, und sie machten sich Sorgen um das Leben dieser jungen Musikerinnen, das hauptsächlich aus Listen zu bestehen schien, listenweise Lehrer, Dirigenten, Orchester, Säle usw.
    Jung hatte davon nichts gespürt. Die Fähigkeiten der jungen Frau und ihre Lust am Spiel hatten ihn begeistert.
    Und die Schulung auf Schloss Vollrads? Er war schon vorher überzeugt, dass Rheingauer Rieslinge allen anderen Weißweinen vorzuziehen waren. Er musste nicht überzeugt werden. Er hatte den Verdacht, dass das die Absicht der Veranstaltung gewesen war. Er hatte nichts dagegen. Die Köstlichkeiten, die ihm kredenzt worden waren, schwemmten alle möglichen Einwände hinweg.
     
    *
     
    Er war allein. Jung ließ seine Blicke über die Grünanlage des Innenhofes schweifen. Eine Sprinkleranlage legte eine Wolke aus funkelnden Wassertropfen über die sorgfältig geschnittenen Rasenstücke und die verstreut gepflanzten Sträucher- und Blumenrabatten. Gestutzte Kastanien säumten die geharkten Kieswege.
    Sein Auge blieb beim Blick durch das Hoftor hängen. Er schaute über hellgrün leuchtende Rebhänge hinunter ins Rheintal bei Hattenheim. Ein unbewegter Glast lag über dem breiten Fluss und tauchte die Rheininseln in einen durchsichtigen Schleier. Jenseits des Flusses, bei Ingelheim, ragten am Horizont ein paar bauliche Hässlichkeiten aus dem Dunst. Sie störten ihn.
    Sein Glas war leer. Er fühlte sich gut und reckte sich in der Vormittagssonne. Dann machte er sich auf den Weg runter an den Fluss. Er kannte ihn von früher, als er im Rheingau Weinproben besucht hatte. Bei den Winzern in Hallgarten, Kiedrich und Rauenthal kaufte er seine Lieblinge und nahm die sonnenverwöhnten Köstlichkeiten mit nach Hause in den rauen Norden.
    Zum Mittagessen würde er gerade rechtzeitig in Östrich-Winkel sein. Die Vorfreude auf den Gaumenschmaus beflügelte ihn, und er schritt kräftig aus.
     
    *
     
    Nach einer guten Stunde war er angekommen und nahm im Gastraum an einem Tisch vor dem Fenster Platz. Er fühlte sich wohl und war hungrig. Die Sonnenstrahlen brachen sich in den Buntglasscheiben und tauchten den Speiseraum in ein gedämpftes Licht. Nach dem gleißenden Sonnenschein in den Rebhängen tat der leichte Dämmer seinen Augen gut. Er genoss jede Minute.
    Die Bedienung stellte ihm das Tagesmenü vor: gebackene Ziegenkäseschnecken, Artischocken, eingelegten Knoblauch und Basilikum Pesto, danach Rinderrückensteak in Spätburgunder-Zwiebelsauce, Mandelbrokkoli und Herzoginkartoffeln und als Dessert Reblochon mit Ananas Confit, karamellisierten Walnüssen und Lorbeer Brioche. Er willigte gern ein und wählte zur Einstimmung einen Schoppen 2003er Hattenheimer Hassel, Riesling Spätlese. Er war mit sich und der Welt im Einklang.
     
    *
     
    Das Vorspeisengeschirr war gerade abgetragen worden, als sein Handy klingelte. Er runzelte die Stirn. Auf dem Display las er den Namen seines Chefs.
    »Jung.«
    »Holtgreve hier. Moin. Ich muss Sie dringend sprechen.«
    Das war das Letzte, was er jetzt wollte. Nichts konnte so dringlich sein, eine Unterbrechung seines Mittagsschmauses zu rechtfertigen. Er überlegte, wie er verhindern konnte, vorzeitig aus dem Urlaub geholt zu werden. Er musste Zeit gewinnen.
    »Herr Holtgreve, ich kann zurzeit nicht frei sprechen. Rufen Sie mich bitte in einer halben Stunde wieder an.«
    »Was heißt das? Sie … «
    Jung drückte die Unterbrechertaste, schaltete das Handy ab und atmete aus. Holtgreve hatte ihm gerade noch gefehlt. Jung war sich sicher, dass irgendetwas von oben auf den Leitenden herabgestürzt sein musste. Oben, das war der Polizeipräsident in Kiel. Für Holtgreve bedeutete das, hektisch in Aktion zu treten. Jung wollte sich nicht davon anstecken lassen. Es gelang ihm nur schlecht.
    Nach dem Hauptgang hatte er eine Abwehrstrategie entwickelt. Das stimmte ihn wieder heiterer. Dennoch sah er davon ab, einen zweiten Schoppen zu bestellen. Und obwohl das Dessert wenigstens einen Michelin-Stern verdient hätte, war er nicht ganz bei der Sache. Der Anruf seines Chefs erinnerte ihn an seine Arbeit und die Bredouille, in die er sich kürzlich gebracht hatte.
    Er sah auf die Uhr. Noch exakt fünf Minuten, bis die halbe Stunde vorüber war. Er leerte sein Glas

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