Mordsfreunde
Ulli und Esther gehört.«
»Wann hast du ihn vorgestern gesehen?«, erkundigte Pia sich.
»Weiß nicht genau«, der Junge überlegte eine Weile, »am frühen Abend irgendwann. Im Bistro war eine Besprechung, wegen der Info-Veranstaltung heute.«
»Pauly hat sich unter anderem auch gegen den Ausbau der B8-Westumgehung engagiert«, meldete sich Sander aus dem Hintergrund. »Die Umweltverbände von Königstein und Kelkheim organisieren zurzeit regelmäßig Info-Veranstaltungen gegen den Straßenausbau.«
»Genau«, Lukas nickte, »heute soll es eine Trassenbegehung in Schneidhain und am Naturfreundehaus geben ... ich kann's echt nicht fassen. Ich hab Ulli schon ewig gekannt. Er war mal mein Biolehrer.«
»An welcher Schule?«, fragte Pia neugierig.
»FSG«, sagte Lukas und ergänzte: »Friedrich-Schiller-Gymnasium. In Kelkheim. Er ist ein supercooler ...«
Er brach ab.
»Ich meine, er war ... ein supercooler Typ«, murmelte derJunge, »der hatte es voll drauf. Ehrlich. Hat immer Zeit für einen gehabt und ein offenes Ohr. Wir waren oft bei ihm zu Hause, haben mit ihm gequatscht. Der Ulli hatte voll vernünftige Ansichten.«
Lukas blickte zu Sander hinüber.
»Auch wenn Sie das nicht glauben«, fügte er mit einem aggressiven Unterton hinzu. Der Zoodirektor stand mit verschränkten Armen hinter seinem Schreibtischsessel, betrachtete Lukas mitleidig und schwieg.
Zehn Minuten später war Pia allein mit Sander im Bürocontainer, in dem es schon jetzt, am Vormittag, erstickend heiß war.
»Sie scheinen ein ziemlich persönliches Verhältnis zu Ihrem Mitarbeiter zu haben«, sagte Pia. »Sie mögen ihn, nicht wahr?«
»Ja, ich mag ihn. Und er tut mir leid«, gab Sander zu. »Warum denn das?«
»Er hat es nicht einfach«, der Zoodirektor hielt sich bedeckt. »Lukas' Vater übt starken Druck auf den Jungen aus. Er ist im Vorstand einer großen Bank und erwartet von seinem Sohn, dass er denselben Weg einschlägt.«
Sander lehnte sich an das Fenster und verschränkte die Arme.
»Lukas ist hochintelligent und hat sich in der Schule nur gelangweilt. In der zehnten Klasse ist er von der Bischof-Neumann-Schule geflogen, dann war er ein halbes Jahr auf einem Internat. Da musste sein Vater ihn wieder abholen. Anderthalb Jahre hat er gar nichts gemacht, dann lernte er diesen Pauly kennen. Der hat irgendwie Zugang zu Lukas gefunden und ihn davon überzeugt, wenigstens die Schule fertig zu machen.«
Pia nickte.
»Lukas ist hier nicht nur ein einfacher Praktikant, oder?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie haben vorhin zu ihm gesagt, er hätte hier keinen Sonderstatus. Wie haben Sie das gemeint?«
Der Zoodirektor schien verblüfft über Pias gutes Gedächtnis.
»Sein Vater ist einer unserer Stiftungsräte«, erklärte er. »Er hat mich gebeten, Lukas für ein paar Monate als Praktikanten einzustellen.«
Sander zuckte die Schultern.
»Zuerst fand er den Einfluss, den Pauly auf seinen Sohn hatte, gar nicht so schlecht. Lukas entwickelte plötzlich Ehrgeiz und machte letztes Jahr ein gutes Abitur, alles war gut.«
»Aber?«
»Die Paulyitis nahm Ausmaße an, die Lukas' Vater nicht gefielen«, fuhr Sander fort. »Er hatte das Konto, das sein Vater für ihn eingerichtet hatte, bis auf den letzten Cent geplündert und angeblich Pauly das Geld für seine ›Projekte‹ geschenkt. Da hat sein Vater ihm alle Bezüge gestrichen. Daraufhin nahm Lukas diesen Kellnerjob in Paulys Ökokneipe an, tauchte nicht mehr zu Hause auf und ließ nach einer Woche die Banklehre sausen. Im letzten Herbst wurde er verhaftet, weil er mit anderen jungen Leuten in die Büros eines Pharmakonzerns eingebrochen war, um gegen Tierversuche zu demonstrieren. Damals hat Heinrich van den Berg seinem Sohn den Umgang mit Pauly verboten und mich um Rat gefragt.«
»Wieso ausgerechnet Sie?«, wollte Pia wissen.
»Wir sind quasi Nachbarn. Lukas war mit meiner mittleren Tochter in einer Klasse, er geht bei uns praktisch ein und aus.«
»Dann ist sein Praktikum hier also eine Art Bewährungsstrafe.«
»Ich denke, Lukas' Vater sieht das so«, Sander nickte. »Erwollte die Verantwortung für den Jungen auf jemand anderen abwälzen. In diesem Fall auf mich. Na ja.«
Er stieß sich vom Fensterbrett ab, öffnete einen Schrank und suchte eine Weile darin herum.
»Nichts mehr zu trinken da«, stellte er schließlich fest. »Soll ich uns Kaffee aus dem Restaurant holen?«
»Für mich nicht«, lehnte Pia dankend ab. »Ich habe heute Nacht sicher eine ganze
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