Mordsgefluester
Garderobe würde gerade über die Herbstmonate reichen, aber wenn ich erst Wintersachen kaufte und Frühlingssachen und Sommersachen – dann müsste ich den ganzen Schrank neu einrichten.
Die Kommodenschubladen mussten ebenfalls ausgeräumt und umsortiert werden. Und der Platz im Badezimmerschrank. Wieder beobachtete er mich, im Türrahmen lehnend, während ich alle Schubladen leerte und das Zeug vorübergehend aufs Bett kippte. Er lächelte leise, als würde es ihn irgendwie befriedigen, einfach nur dazustehen, während ich mir den Apfelpopo aufarbeitete. Keine Ahnung, wie er das mit seinem Gewissen vereinbarte.
»Was ist so komisch?«, fragte ich schließlich leicht gereizt.
»Nichts ist komisch. «
»Du lächelst aber.«
»Genau.«
Ich stemmte die Hände in die Hüften und kniff die Augen zusammen. »Und warum lächelst du?«
»Weil ich beobachte, wie du dir ein Nest baust – in meinem Haus.« Er nahm einen Schluck Kaffee und schickte dabei einen schwerlidrigen Blick zu mir herüber. »Ich habe weiß Gott lange genug versucht, dich hierherzubekommen.«
»Zwei Monate lang«, schnaubte ich. »Eine Ewigkeit.«
»Genau gesagt vierundsiebzig Tage, seit Nicole Goodwin erschossen wurde und ich glaubte, es hätte dich getroffen. Vierundsiebzig lange, frustrierende Tage.«
Jetzt schnaubte ich wirklich. »Auf gar keinen Fall kann ein Mann, der so oft Sex hat wie du, frustriert sein.«
»Es war nicht der Sex. Okay, zum Teil war es sehr wohl der Sex. Aber vor allem war es frustrierend, dass du woanders wohnen wolltest.«
»Na schön, jetzt bin ich hier. Freu dich nicht zu früh. Das Leben, wie du es bisher gekannt hast, ist hiermit vorüber.«
Lachend ging er zwei Tassen Kaffee holen. Während er unten war, läutete das Telefon, und er ging an den Apparat, nur um ein paar Minuten später heraufzukommen und seine Waffe zu holen. »Ich muss los«, sagte er. Das war nicht weiter ungewöhnlich und hatte auch nichts mit mir zu tun, sonst hätte er es mir gesagt. Es hatte vor allem damit zu tun, dass die Polizei unterbesetzt war, und dabei handelte es sich um eine Art chronischer Krankheit. »Du weißt, was du zu tun hast. Du lässt niemanden ins Haus.«
»Und wenn ich jemanden mit einem Benzinkanister ums Haus herumschleichen sehe?«
»Kannst du eigentlich schießen?«, fragte er, es war keine rhetorische Frage.
»Nein.« Ich bedauerte das, aber ich fand, dass ich ihn besser nicht anschwindeln sollte.
»Wenn ich nächste Woche mit dir fertig bin, kannst du es«, prophezeite er.
Toll. Noch etwas, das ich in meiner Freizeit erledigen musste, falls ich überhaupt noch Freizeit hatte. Ich hätte den Mund halten sollen. Andererseits war es bestimmt cool, schießen zu können.
Er küsste mich und war gleich darauf aus dem Haus. Versonnen lauschte ich dem Rumpeln, mit dem das Garagentor hochfuhr, dann beschäftigte ich mich mit anderen Dingen und widmete mich weiter dem Sortieren und Einräumen.
Ein Teil der Sachen, die in der Kommode gelegen hatten, gehörten eindeutig woanders hin, wie zum Beispiel der Baseballhandschuh, das Schuhputzzeug, ein Stapel Bücher aus der Polizeischule und ein Schuhkarton voller Fotos. Sobald ich den Karton geöffnet und den Inhalt gesehen hatte, vergaß ich alles andere und ließ mich neben dem Bett auf dem Boden nieder, um im Schneidersitz die Bilder durchzusehen.
Männer machen sich nicht viel aus Fotos, darum waren diese Bilder auch in einen Karton geworfen und vergessen worden. Ein paar davon hatte ihm eindeutig seine Mutter überlassen: Schulbilder von ihm und seiner Schwester Lisa in verschiedenen Altersstufen. Der sechsjährige Wyatt brachte mein Herz zum Schmelzen. Er sah so unschuldig und frisch aus, so gar nicht wie der eisenharte Mann, den ich liebte, wenn man von den funkelnden Augen absah. Doch schon im Alter von sechzehn Jahren begann er diesen coolen, bohrenden Blick zu entwickeln. Es gab Bilder von ihm im Footballdress in der Highschool wie auch im College sowie weitere Bilder von ihm als Profi, und der Unterschied war unübersehbar. Damals war Football kein Spiel mehr, der Sport war ein Job, und ein harter Job dazu.
Es gab ein einziges Bild von Wyatt mit seinem Dad, der inzwischen schon ziemlich lange tot war. Wyatt schien etwa zehn Jahre alt zu sein, er hatte immer noch diesen unschuldigen Ausdruck im Gesicht. Sein Vater musste kurz nach dieser Aufnahme gestorben sein, denn Roberta hatte mir erzählt, dass Wyatt damals erst zehn gewesen war. Danach hatte er
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