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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Cüpper hatte eine Waffe.
    Er schaffte es aufs Hauptdach und streckte die Hand mit dem Revolver aus, Ellbogen durchgedrückt.
    »Stehen bleiben, Max! Ich schieße!«
    Hartmann stoppte. Er hatte beinahe die Hälfte der Distanz zurückgelegt, die ihn noch vom Absprung trennte. Langsam drehte er sich zu Cüpper um.
    »Herkommen!«
    »Warum kommen Sie nicht zu mir?« Hartmann fletschte die Zähne. Unmöglich, dachte Cüpper. Er kann nicht so dumm sein, sich der Waffe zu widersetzen.
    Schnell schaute er hinter sich. Falls er gehofft hatte, dass weiteres Personal durch den Tumult angelockt worden war, hatte er sich getäuscht. Der Zoo war hoffnungslos unterbesetzt. Dann fiel ihm ein, dass bisher fast alles geräuschlos vonstatten gegangen war.
    »Herkommen«, wiederholte er und trat ein Stück zur Seite, um Hartmann an sich vorbeizulassen. »Hände über den Kopf! Los jetzt!«
    Hartmann folgte der Aufforderung mit nervenaufreibender Langsamkeit. Dann kam er näher.
    Zu nahe.
    »Stopp! Da stehen bleiben.«
    »Sie sagten, ich solle herkommen. Haben Sie nicht …«
    »Halten Sie die Schnauze, Hartmann. Bis hierhin und nicht weiter. Gehen Sie an dem Oberlicht vorbei aufs Vordach.«
    »Ich hab Sie schön zum Narren gehalten, was?«
    »Maul halten!«
    »Was wollen Sie tun? Mich erschießen, bloß wegen ein bisschen Konversation?« Hartmann lachte, aber er hielt Distanz und ging zurück in Richtung Vordach. Jetzt war er auf gleicher Höhe mit Cüpper. Seine Augen blitzten –
    Und Cüpper verlor den Halt. Sein verletztes Bein knickte ein. Er sah, wie Hartmann sich duckte und zum Sprung ansetzte, zog die Waffe hoch.
    Zu spät.
    Der Körper des anderen rammte ihn, er wurde zu Boden gerissen, der Revolver flog im hohen Bogen davon und schlitterte über die Kante des Hauptdachs. Cüpper versuchte sich abzustützen, um wieder auf die Beine zu kommen, aber da war nichts, kein Dach, überhaupt nichts. Seine Hände tasteten ins Leere.
    Im nächsten Augenblick prallten Hartmanns Knie auf seine Brust.
    Er strampelte mit den Beinen und holte keuchend aus. Sein Arm wurde im Schlag abgefangen, umklammert von Hartmanns linker Hand – so wie der Doppelgänger auch den Becher mit der Rose aufgefangen hatte, mit der Linken, und Cüpper hatte es gesehen, ohne es zu kapieren.
    Der Linkshänder!
    In einer merkwürdigen Anwandlung von Distanziertheit fragte er sich, wie Hartmann das alles geschafft hatte. Den Mord an von Barneck, ihn wie sich selbst aussehen zu lassen, dann den Anruf, als er längst schon wieder in der Villa war.
    Erneut versuchte er, sich loszumachen. Zwecklos. Hartmann verfügte über unglaubliche Kräfte.
    Warum schlug der Mörder nicht einfach zu?
    Dann begriff er.
    Eisiger Schrecken durchfuhr ihn.
    Hartmann schob ihn über den Rand des Dachs, Stück für Stück. Nicht mehr lange, und er würde hinunterstürzen.
    Zu den Löwen!
     
    Gopper hustete. Etwas Warmes lief aus seinem Mund, tropfte am Kinn herunter.
    Wo war er?
    Er versuchte sich aufzurichten und sank mit einem Röcheln zurück.
    Wie in Zeitlupe führte er die Hände an die Brust. Etwas ragte daraus hervor. Er griff in den klebrigen Stoff seines Hemdes, drehte sich herum und konnte die Kante des höhergelegenen Dachs sehen.
    Vor ihm lag ein Revolver.
    Wieder musste Gopper husten, schwer und krampfhaft. Vor seinen Augen ergoss sich ein Schwall schwarzen Blutes auf den Teer. Er sah weg und gewahrte jenseits der Dachkante den Oberkörper eines Mannes, gebeugt, die Hände vorgestreckt, das Gesicht eine triumphierende Grimasse.
    Der Mann, der Marion niedergeschlagen …
    Das Messer gezogen …
    Ihn getroffen hatte.
    Er würde sterben!
    Goppers Finger schoben sich spinnengleich über die Teerpappe, tasteten sich zu der Waffe. Er bekam ihren kalten Griff zu fassen, merkte, wie das Ding ihm Kraft gab. Früher hatte er geschossen, im Krieg.
    Alles verschwamm vor seinen Augen.
    Er biss die Zähne aufeinander und richtete sich ein weiteres Stück auf. Der Revolver ruhte schwer in seiner Hand, die Mündung tanzte von rechts nach links. Jetzt sah er, was der Weißhaarige tat. Er hockte auf einem Körper, drückte ihn über den Rand des Dachs –
    Gopper schoss.
    Der Rückstoß schleuderte ihn wieder zu Boden. Im letzten bewussten Moment seines Lebens durchglühte ihn die Gewissheit, dass er getroffen, ganz bestimmt getroffen hatte!
     
    Hartmanns Griff lockerte sich. Cüpper sah den erstaunten Ausdruck in seinen Augen. Auf dem linken Oberarm seines Gegners breitete sich ein roter

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