Mordshunger
begann, den Schaum samt Stoppeln runterzuschaben.
Und hielt inne.
Der Mann im Spiegel starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Aus einer kleinen Wunde am Kinn drang Blut und mischte sich mit dem Schaum.
Fassungslos sah er zu, wie seine Hand hochfuhr und es wegwischte. Neues Blut kam nach.
Das war es also.
So einfach. So schrecklich einfach!
Nicht die Vase. Nicht die Rose. Sondern die Art, wie …
»Ich Idiot«, flüsterte er.
Er warf den Rasierer ins Waschbecken, hastete aus dem Bad und ans Telefon.
»Rabenhorst? Schnappen Sie sich ein paar Männer, und brechen Sie Eva Feldkamps Wohnung auf! Sofort!«
Am anderen Ende der Leitung entstand Verwirrung.
»Warum? Ich denke, wir wollten sie auf dem Flughafen abfangen.«
»Ich glaube nicht, dass sie je dort ankommen wird. Wahrscheinlich ist sie schon in Köln.«
»Aber …«
»Keine Fragen. Tun Sie einfach, was ich Ihnen sage.«
Er legte auf und wählte die Nummer vom Zoo. Je früher er sie warnte, desto besser.
Es klingelte quälend lange. Dann sagte jemand müde: »Kölner Zoo.«
»Cüpper, guten Morgen. Kann ich Frau Ried sprechen?«
»Die Frau Ried? Ich weiß nit. Is wahrscheinlich draußen.«
»Dann holen Sie sie an den Apparat.«
»Dat sagen Sie so einfach.«
»Es ist dringend!«
Die Stimme klang auf einmal wacher. »Hat sie wat anjestellt?«
»Bitte!«
»Ich versuch et. Die ist heut morjen aber auch begehrt.«
»Was? Wieso?«
»Grad war schon mal einer hier. So, Durchwahl Raubtierhaus …«
»Augenblick. Sie hat Besuch?«
»Ja, is aufm Weg. Da müssen Sie sich aber keine Jedanken drum machen. Is nur ihr Vater.«
Cüpper schnappte nach Luft. Er ließ den Hörer fallen und rannte los.
Zoo
Marion genoss die frühen Sonnenstrahlen wie etwas lang Entbehrtes. Sie lehnte an der Brüstung des Löwengeheges und gönnte sich ein paar Minuten Ruhe. Unter ihr tanzten Myriaden winziger Lichter im Wassergraben.
Hunderte von Vögeln sangen um die Wette.
Einer der Vögel kam ihr etwas monoton vor, allzu gleichmäßig. Zu spät begriff sie, dass es das Telefon war. Der Ton drang schwach aus dem Gebäude, das die Löwen von den Tigern trennte.
Vermutlich kündigten sie Fritz an. Während sie noch überlegte, ob sie rangehen sollte, hörte das Klingeln auf.
Egal.
Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
Gegen die Zeit
Cüpper rannte wie ein Irrer.
In seiner Ausbildung hatte er zu den besten Sprintern gehört, aber das war einige Jahre her. Zwischenzeitlich hatte er zu gut gegessen und zu viel getrunken. Als er die Riehler Straße entlanglief, spürte er schmerzhafte Stiche in den Seiten. Die Zoobrücke schien Lichtjahre entfernt zu sein.
Hätte er nur den Wagen nehmen können! Aber der stand zu weit weg, weil wieder mal nichts frei gewesen war.
Verfluchtes Köln!
Keuchend erreichte er den Reichensperger Platz. Seine Schritte hämmerten im schnellen Stakkato auf den Asphalt. Er hörte Bremsen quietschen und wusste, dass es seinetwegen war.
Auch die nächste Ampel zeigte rot.
Ohne nach rechts und links zu sehen oder sein Tempo zu verlangsamen, fegte Cüpper über den Zebrastreifen.
Zoo
Der Mörder blieb stehen, irritiert. Der Messergriff unter dem Blazer drückte gegen seine Brust und erinnerte ihn daran, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb.
Seine Augen wanderten umher.
Rechts von ihm glotzten zwei Kasuare durch das mannshohe Gebüsch, zur Linken lag das Freigelände für die Hirsche und Okapis. Dann gabelte sich der Weg und führte an den Zebras vorbei um die Affeninsel herum, während er zur anderen Seite schmaler wurde und zwischen Bäumen verschwand.
Angestrengt versuchte er sich zu erinnern, wo es zu den Löwen ging.
Ein paar Paviane begannen zu kreischen und jagten einander den Felsen hinauf. Warum hatte er nicht nach dem Weg gefragt? Aber dann wären sie auf die Idee gekommen, ihn zu ihr zu bringen. Nichts konnte er weniger gebrauchen als Publikum. Noch nicht.
Unsicher entschied er sich für links.
Keine fünfzig Meter entfernt fiel Marion plötzlich ein, dass Fritz sie nie besucht hatte. Wahrscheinlich kannte er den Zoo nur aus frühester Kindheit, wenn überhaupt. Er war nicht der Typ, der seine Freizeit zwischen Känguruhs und Brillenpinguinen zubrachte.
Sie warf einen Blick auf die Uhr. Zehn vor acht. Zeit, die Katzen für die Fütterung reinzuholen.
Andererseits, wenn Fritz sich verlief? Viele gingen an der Affeninsel in die falsche Richtung. Konnte nicht schaden nachzusehen.
Schlendernd setzte sie
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