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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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nicht ins Wasser oder wollte der anderen die Beute nicht streitig machen.
    Cüpper schwamm um sein Leben.
    Katzen können nicht schwimmen, wimmerte etwas in ihm, Katzen können nicht schwimmen.
    Sie konnten!
    Das Platschen näherte sich. Er hörte Knurren, Gurgeln, spürte eine Berührung am Fuß, Krallen, die tief in seine Wade fuhren –
    Ergeben wartete er auf das Ende.
    Es blieb aus.
    Warum greift sie nicht an, dachte Cüpper, sie hatte mich doch schon.
    Dann sah er, was los war. Am Ende des Grabens war Hartmann an Land gesprungen und rannte aus Leibeskräften auf den Zaun zu.
    Die Löwin am Ufer stieß ein wütendes Brüllen aus. Zugleich sah Cüpper die zweite Katze tropfnass ans Ufer springen und die Verfolgung aufnehmen. Der mächtige Körper schnellte zwischen den Büschen hinweg über den toten Baumstamm, umgeben von einer Aura glitzernder Wasserpartikel.
    Aber Hartmann war so gut wie in Sicherheit. Er hatte den Fuß auf den unteren Draht des Gitters gesetzt, zog sich nach oben –
    Mein Gott, dachte Cüpper, er kann es schaffen!
    – und wurde langsamer.
    Die Verletzung! Hartmann konnte seinen Arm nicht gebrauchen.
    Im nächsten Moment prallte die Löwin gegen ihn. Hartmann wurde an das Gitter gedrückt und rückwärts heruntergerissen. Er schrie sie an, und die Löwin wich ein Stück zurück. Hartmann taumelte in die Hocke, immer noch schreiend, und wurde von der zweiten Löwin zu Boden geschleudert. Wieder gelang es ihm, auf die Beine zu kommen. Seine Hände griffen in den Zaun. Dann waren beide über ihm. Cüpper sah wirbelnde Körper und Gliedmaßen, aufspritzenden Sand, begleitet von einer Collage aus Brüllen, Knurren und Schreien.
    Er drehte sich weg. Das Schreien endete abrupt.
    »Hierhin!«, hörte er jemanden rufen. Zuerst wusste er nicht, aus welcher Richtung es kam. Dann sah er, dass ein Mann, vermutlich ein Pfleger, eine der Käfigtüren im Gebäude geöffnet hatte und zu ihm herüberwinkte. Oben am Geländer hörte er Stimmen, Geräusche, als würde mit einem Schalldämpfer geschossen.
    »Warten Sie, noch nicht«, rief der Mann im Käfig, »bleiben Sie im Wasser, schwimmen Sie zum Haus.«
    Cüpper zitterte so stark, dass er glaubte, keinen Meter mehr vorwärtszukommen. Er ließ sich tiefer ins Wasser sinken.
    »Wir haben die Löwinnen!«, hörte er eine der Stimmen von oben.
    Wieder dieses Geräusch.
    »Den Löwen auch!«
    Den Löwen? Er hatte keinen Löwen gesehen. Schwach dämmerte ihm eine Schulweisheit, wonach der König der Tiere eher faul war und das Jagen den Weibchen überließ. Aber das spielte keine Rolle mehr. Nichts spielte irgendeine Rolle, außer hier herauszukommen. Die Hoffnung auf Rettung mobilisierte seine letzten Reserven. Er schwamm zur Hauswand und zog sich ans Ufer.
    Bis zum Käfig waren es nur wenige Schritte.
    Verdammt! Sein Bein.
    Mühsam humpelte er auf den Käfig zu.
    »Um Gottes willen! Ins Wasser, wieder ins Wasser!«
    Wo kam das her? Cüpper drehte sich, sah hinaus aufs Gelände –
    – und dem Löwen direkt in die Augen.
    Das Raubtier lief geschmeidig auf ihn zu. Im Näherkommen schienen seine Dimensionen ins Unendliche zu wachsen.
    Alles in ihm erkaltete. Er stolperte und stürzte.
    Der Löwe sprang.
    Sechs Zentner Tod rasten durch die Luft auf ihn zu, eine schrecklich schöne, Vernichtung bringende Skulptur aus Muskeln und Sehnen. Spektakulärer konnte man eigentlich nicht sterben. Kein Grund zur Klage.
    Aber er wollte nicht!
    Mit einem Aufschrei rollte er zur Seite und schlug die Arme vors Gesicht. Der Körper des Löwen krachte zu Boden, halb auf und halb neben ihn. Die Welt bebte. Cüpper hörte ein paar Rippen brechen und fragte sich neugierig, ob es seine waren.
    Dann fragte er sich gar nichts mehr.
     
    Irgendwann tauchte er aus dem Dunkel noch einmal auf und sah Marions Kopf über sich gebeugt. Sie lachte und weinte zugleich. Um ihn herum sprachen Leute, wurden Anweisungen geschrien, harschten Schritte durch den Sand.
    »Hallo, Löwenherz«, sagte Marion.
    Er schluckte und versuchte, die Augen offenzuhalten. Gott, was für ein schöner Anblick. Seine Katze!
    Katzen können nicht schwimmen, wollte er sagen, aber es wurde nur ein undeutliches Gebrabbel daraus.
    Dann schlief er wieder ein, weitgehend zufrieden.
    Nachschlag
    Sie brachten Cüpper in die Uniklinik und behielten ihn zu seinem völligen Unverständnis da: wo doch nur das Knie gesplittert und drei Rippen gebrochen wären! Er gab zu bedenken, so was sei kein Grund, einen gesunden Mann ins Bett

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