Mordsidyll
erklären.« Ronald legte seine Hand auf ihr Knie.
Anna riss sie energisch fort. »Ich will keine Erklärung. Ich will nur noch raus. Ich will zur Polizei. Ich will nicht mehr!«
»Anna, reià dich zusammen. Bitte. Es ist nicht so, wie du denkst«, versuchte Ronald, sie zu besänftigen.
Er bog von der LandstraÃe ab und brachte den Wagen auf einem Parkplatz an der Staumauer der Listertalsperre zum Stehen. »Anna, auf dieser CD sind Daten von mir.«
»Hast du etwas mit dem Tod von Tim zu tun?«
»Nein, natürlich nicht. Lass mich erklären.«
Anna wollte einfach nur weglaufen, doch sie widerstand dem Impuls. Stattdessen verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und fauchte: »Da bin ich aber mal gespannt!«
»Die ganze Geschichte fing vor Jahren an«, begann Ronald, während er starr nach vorn sah. »Damals expandierte mein Unternehmen nach Russland. Wir haben eine neue Fabrik bei Sankt Petersburg gebaut, um den Markt vor Ort zu bedienen und um für Europa billig Autoteile zu produzieren.« Ronald machte eine Pause. »Es war ein Fiasko. Ich wurde sabotiert. Nichts klappte, nichts ging vorwärts, wir haben die Fabrik nicht zum Laufen gekriegt. Statt damit Geld zu verdienen, verschlang unsere russische Fertigung Unsummen. Ich war so gut wie bankrott. Dann boten mir russische Geschäftsleute Hilfe an. Sie sagten, sie würden sich mit diesen speziellen Schwierigkeiten auskennen und könnten sie aus dem Weg räumen.«
Ronald versuchte, Annas Hand zu ergreifen, doch sie zog sie weg. Anna merkte, wie Ronald schlucken musste, doch er fuhr fort: »Ich hätte mich niemals auf das Angebot einlassen sollen. Aber ich hatte keine andere Wahl. Wenig später ging es ging auch tatsächlich bergauf. Alles lief plötzlich wie am Schnürchen: Die Maschinenteile wurden geliefert, die Lkws trafen pünktlich ein. Nur der Preis dafür war hoch. Die Russen verlangten kein Geld, nein, sie wollten, dass ich mit meinen Transportpapieren gefälschte Autoteile nach Deutschland schmuggele. Es war ja so einfach. Niemand hat an den Grenzen die Ware genau kontrolliert. Sie wurde in groÃe Holzkisten verpackt und mit meinem Label âºWeber Automotiveâ¹ versehen. In Wirklichkeit waren es jedoch billige Nachbauten von Ersatz- und VerschleiÃteilen. Hier in Deutschland wurden sie dann in gefälschten Verpackungen in den Handel gebracht. Du kannst dir vorstellen, dass die Gewinnspanne für die Hintermänner ungeheuerlich hoch war. Aber was sollte ich tun? Ich musste mich darauf einlassen, sonst wäre ich ruiniert gewesen, glaub mir.«
Ronald sah Anna ins Gesicht, doch sie wandte sich ab. Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte!
»Ich habe zur Sicherheit, als eine Art Rückversicherung, alle Informationen, alle Namen, alle Liefertermine gespeichert. Um für den Fall der Fälle als Kronzeuge aussagen zu können«, erklärte Ronald weiter. »Auf Anweisung der Russen musste ich dann einen Mann einstellen: Boris Wassiljew. Er arbeitete im Lager und sorgte dafür, dass die Lkws mit den gefälschten Autoteilen frühzeitig umgeleitet wurden und nicht das Firmengelände erreichten. Wassiljew kümmerte sich auch darum, dass die Ware über Mittelsmänner, GroÃhändler und Direktabnehmer in den Verkehr gebracht wurde. Er war ein ehrgeiziger Bursche. Irgendwann wollte er mehr vom Kuchen abhaben, kannte aber nicht alle Hintermänner. Nun ⦠Eines Tages muss ich eine Datei auf meinem Laptop nicht geschlossen haben und Wassiljew hat sie entdeckt. Dadurch ist ihm das gesamte Verzeichnis in die Hände geraten. Ich weià nicht genau, wann und wie, aber er ist an meine Excel-Listen rangekommen. Er zeigte mir Ausdrucke davon und sagte, dass er alles auf eine CD kopiert hätte und sie seinen Kontaktmännern in Russland zukommen lassen würde, wenn ich ihn nicht zu meinem Teilhaber machte. Das ging beides nicht. Weder konnte ich diesen Kriminellen plötzlich zu meinem Partner machen noch durften die Russen die CD in die Finger bekommen. Du weiÃt, was das bedeutet hätte? Man hätte mich umgebracht.«
Ronald unterbrach seine Erklärungen, um nach Annas Knie zu tasten. Angeekelt fegte sie seine Hand weg.
»Anna, versteh doch. Es hätte mein Todesurteil bedeutet«, versicherte er in mitleidheischendem Ton. »Wassiljews Plan ging zwar nicht so
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