Mordsidyll
bringen Sie mich mal zu der Frau.«
Ruste folgte Schröder in die Gaststube des Landhotels. Drei uniformierte Beamte saÃen um einen der rustikalen Tische und lauschten den krächzenden Stimmen aus ihren Funkgeräten. Etwas abseits auf einer Eckbank entdeckte Ruste eine zierliche blonde Frau, die auf die schmiedeeiserne Lampe über ihr starrte. Sie war in eine braune Wolldecke gehüllt und hielt mit beiden Händen einen dampfenden Becher. Hübsches Mädchen, ging es ihm durch den Kopf. Eine Bäuerin hatte er sich anders vorgestellt.
»Wo sind die anderen?«, fragte er Schröder.
»Die sind alle an den Tatorten. Ich dachte, ich bleibe lieber hier bei der Zeugin. Die drei Kollegen sind zum Schutz da.«
»Gut gemacht. Können Sie mir einen Kaffee besorgen?«
Schröder nickte und ging zum Tresen, hinter dem sich eine komplette Familie versammelt hatte. Ruste fixierte die Leute mit zusammengekniffenen Augen. Denen musste wohl das Hotel gehören. Solch eine Aufregung hatten die hier bestimmt noch nicht gehabt. Da gab es ja wieder genügend Stoff zum Tratschen!
Seufzend näherte sich Ruste der Frau und griff nach einem der Holzstühle, die ihr gegenüberstanden. Er nahm auf dem Sitzkissen mit gesticktem Blumenmuster Platz und musterte die Frau. Sie machte einen müden Eindruck.
»Ich nehme an, Sie sind Anna Lobbisch?«
Die Frau blickte von ihrem Becher auf. Ruste schaute in klare blaue Augen. Fasziniert bemerkte er einen gelblichen Sprenkel in der rechten Iris. Für einige Sekunden verlor er den Faden.
»Ãhm ⦠Man hat mir gesagt, unter den Toten befände sich Ronald Weber. Sie kannten ihn, oder?«
Anna Lobbisch nickte.
»Ich kannte ihn auch. Wir haben uns noch vor Kurzem gesehen. Er war einer meiner Schützenbruder. Ein netter Kerl, fand ich. Wie standen Sie zu ihm?«
»Er wollte mich umbringen.«
Ruste stutzte. Er hatte vermutete, dass die beiden befreundet waren, immerhin hatte sie Weber vor zwei Tagen angerufen.
»Oh. Damit hatte ich nun nicht gerechnet. Können Sie mir erzählen, wie es dazu kam?«, nahm er das Gespräch wieder auf, wurde jedoch sofort von Schröder unterbrochen, der mit einem Becher an den Tisch trat.
Ruste nippte vorsichtig am heiÃen Kaffee und nickte Anna Lobbisch aufmunternd zu.
»Ich hatte ihn für einen Freund gehalten«, erklärte sie traurig, »aber dann wollte er mich töten. Er wollte mich in die Listertalsperre stürzen.«
»Wissen Sie, warum er das tun wollte?«
Anna Lobbisch seufzte laut und trank einen groÃen Schluck aus ihrer Tasse. Dann blickte sie Ruste fast herausfordernd an. »Es ist eine lange Geschichte. Vor zwei Tagen tauchte Tim Mazcevski bei mir auf. Er hat vor nicht ganz fünf Jahren meinen Mann überfahren und war vom Unfallort geflüchtet. Mein Mann starb. Dieser Tim hat mich aus der Haft mit Briefen bombardiert, wollte unbedingt, dass ich ihm verzeihe. Zunächst konnte ich das nicht, doch mit der Zeit habe ich gemerkt, dass er die Tat wirklich bereute. Und irgendwann muss man ja auch die Vergangenheit ruhen lassen, meinen Sie nicht?«
Ruste stimmte ihr nickend zu.
»Als Tim nach seiner Haft zu mir auf den Hof kam, tauchten plötzlich fremde Männer auf und schossen auf uns. Wir sind mit meinem Traktor geflohen. Tim flehte mich an, dass ich die Polizei nicht rufen sollte. Jetzt weià ich, dass das ein Fehler war, aber im ersten Moment habe ich nachgegeben und Ronald gebeten, uns in seiner Jagdhütte zu verstecken â¦Â«
»Hier, etwas zur Stärkung. Ein kräftiges Frühstück kann man immer gebrauchen, woll?«
Ruste hatte gar nicht bemerkt, dass der Hotelinhaber zu ihnen getreten war.
Nun stellte er lächelnd einen Teller mit Wurst- und Käsebrötchen auf den Tisch. »Wir können auch Rührei machen.«
»Ginge auch ein Krüstchen?«, fragte Ruste ironisch. Er ärgerte sich maÃlos über diese unverfrorene Störung.
»Ja, sicher â¦Â«, antwortete der Wirt sichtlich irritiert, »allerdings um diese Uhrzeit? Aber kein Problem. Sie können auch ein â¦Â«
»Nein! Ist gut. Wir möchten nicht mehr belästigt werden!«
Beleidigt verzog sich der Hotelier hinter seine Theke. Ruste schob den Teller mit den Brötchen in Anna Lobbischs Richtung.
»Danke, ich habe keinen Hunger â¦Â«
»Können wir den dann haben?«, fragte
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