Mordsidyll
Rücksitz des Wagens fallen, den ihr der nette, junge Polizeimeister zugewiesen hatte. Auch der Kommissar hatte einen freundlichen Eindruck gemacht. Ob er ihr die Geschichte abgenommen hatte? Hatte sie überhaupt das Richtige getan?
Nachdenklich kaute Anna auf ihrer Unterlippe. Aber was hätte es jetzt noch für einen Sinn gehabt, die Wahrheit zu erzählen und dann womöglich ins Gefängnis zu kommen? Sie war immer tiefer in diese Sache hineingerutscht, war ein Spielball von Ronald und seinen russischen Kumpanen geworden. So wäre es sicherlich besser.
Müde schloss Anna die Augen. Vielleicht konnte sie noch ein paar Minuten schlafen, bevor ihr Hof und die Tiere wieder ihren vollen Einsatz verlangen würden.
Kapitel 12
5. Mai
Frisch herausgeputzt saà Ruste in der Küche von Anna Lobbisch. Er trug seine Haare waren zwar immer noch halblang, hatte ihnen aber einen ordentlichen Schnitt verpassen lassen. Und statt Jeans und Kapuzenpulli hatte er sich für eine helle Stoffhose und ein dunkelblaues, sportliches Sakko entschieden. Nach dem desaströsen Eindruck, den er in dem Hotel gemacht haben musste, wollte er die sympathische und attraktive Bäuerin beeindrucken und das Bild von sich wieder geraderücken.
Ruste hatte sich schon über eine Woche auf dieses Wiedersehen gefreut. Nachdem er sich, angeschlagen wie er bereits war, am Tatort eine Mandelentzündung inklusive Fieber zugezogen hatte, hatte er Anna Lobbisch am Tag nach den Morden nicht vernehmen können. Stattdessen hatte Schröder ihre Angaben fein säuberlich zu Protokoll genommen. Es war wirklich eine verrückte Sache, in die die Bäuerin da unschuldig hineingezogen worden war und die sie fast das Leben gekostet hätte. Aber Anna Lobbisch war eben eine beeindruckende, tapfere Frau, die nebenher noch einen ganzen Hof allein bewirtschaftete.
»Es ist eine unglaubliche Geschichte, in die Sie da hineingeraten sind, Frau Lobbisch. Aber jetzt fügt sich langsam das Puzzle für uns zusammen. «Ruste nahm einen Schluck Bier aus der Flasche. Immerhin war er nicht im Dienst und sein Besuch mehr privater Natur. »Ich war gerade in der Nähe und dachte mir, ich komme mal vorbei, um Ihnen den Stand der Ermittlungen mitzuteilen. Ich denke, nach allem, was Sie erlebt haben, ist es ihr gutes Recht, das zu erfahren.«
Anna Lobbisch lächelte ihn an, schlug jedoch sogleich die Augen nieder. »Gerne«, sagte sie und strich imaginäre Falten auf der Kunststofftischdecke glatt.
Ruste beobachtete ihre hilflose Geste und musste grinsen. War sie etwa verlegen? Diese Seite kannte er gar nicht an ihr, machte sie aber nur noch sympathischer.
»Ich weià gar nicht, wo ich anfangen soll, so verworren ist alles«, begann Ruste. »Also, am besten von vorne: In Ronald Webers Wagen haben wir die CD gefunden, von der Sie sprachen. Darauf waren Daten gespeichert, die belegen, dass Weber in Schmuggelgeschäfte mit der Russenmafia verwickelt war â und zwar in erheblichem AusmaÃ. Er importierte unter dem Deckmantel seiner Firma gefälschte Teile nach Deutschland, die umdeklariert und als Originalersatzteile in Umlauf gebracht wurden. Der dabei entstandene Schaden geht wahrscheinlich in die Millionen! Auf der CD waren umfangreiche Informationen vorhanden: Hintermänner, Kuriere, Transportwege und vieles mehr.«
Ruste machte eine kurze Pause, um seinen Worten Gewicht zu verleihen. Das musste die arme Frau ja erst mal sacken lassen, ihn selbst hatte es fast umgehauen, als er von den Machenschaften des ach so unbescholtenen Webers erfahren hatte.
»Aufgrund der Fingerabdrücke gehen wir davon aus, dass sich die CD im Besitz von Boris Wassiljew befunden haben muss, einem hiesigen Anführer der Russenmafia«, fuhr Ruste fort. »Wassiljew saà in der JVA in Attendorn. Er muss dort die CD Tim Mazcevski übergeben haben, auch dessen Fingerabdrücke konnten wir nachweisen. Mazcevski ist derjenige, der Ihren Mann überfahren hat ⦠Aber das wissen Sie ja.« Ruste räusperte sich. Er begann Blödsinn zu reden. Die Nähe dieser Frau machte ihn völlig konfus. Dabei wollte er wichtig und intelligent klingen.
»Ãh, ja. Wo war ich? ⦠Ach ja, die CD«, setzte Ruste seine Erklärung fort. »Wir gehen davon aus, dass die beiden, also Boris Wassiljew und Tim Mazcevski, Weber erpressen wollten. Wassiljew muss geahnt haben, dass Weber ihm nach seiner Haft
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