Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Thomas Bott übernommen hatte, nachdem dieser zum Zivilgericht berufen worden war. Keine leichte Aufgabe für Höhne, der sich in den komplexen Fall nachträglich einarbeiten musste. Über Monate hinweg galt es, alle bisherigen Erkenntnisse nachzuvollziehen, und über weitere Monate bis zum Beginn der Hauptverhandlung war er mehr Kriminalist als Jurist. Schließlich musste er vor Gericht gegen drei sogenannte Staranwälte antreten. Um es vorwegzunehmen, er hat diese Aufgabe bravourös gemeistert, konnte in allen Punkten die überzeugenderen Argumente vorbringen.
Ilan Tesler wurde von zwei Münchner und einem israelischen Verteidiger vertreten. Letzterer nahm jedoch nicht an der mündlichen Hauptverhandlung teil.
Der Prozess dauerte ein ganzes Jahr, bis nach sechsundfünfzig Verhandlungstagen das Urteil gesprochen werden konnte. Die beiden kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter, Iris von Ohain und Rudolf Assmann, waren an allen Verhandlungstagen im Gerichtssaal, was sicherlich ein Novum darstellte.
Die Aktenlage war derart umfangreich, dass selbst die Anwälte stöhnten. Es gab praktisch nichts, was die Beamten nicht ermittelt hatten. Jeder Zeuge, der nur im Entferntesten bekannt geworden war, war vernommen worden. Trotzdem wurde immer wieder der Vorwurf erhoben, einseitig ermittelt zu haben. Völlig zu Unrecht angesichts der Tatsache, dass nun wirklich nicht selektiert worden war. Hatten die Sachbearbeiter beispielsweise wissen können, ob sich die Aussage der vonihnen mühsam beigebrachten Zeugin Bertolotti als be- oder entlastend erweisen würde? Verfügten sie über hellseherische Fähigkeiten, um im Voraus einschätzen zu können, ob durch die Spuren am Tatzelt die Angaben des Beschuldigten bestätigt oder widerlegt werden würden? Konnten sie vorab wissen, ob die Ermittlungen zu den Versicherungen und den Geldflüssen letztendlich beweisbar gegen den Angeklagten sprechen würden? War ihnen von Haus aus bekannt, dass es auf dem Inka-Pfad seit Jahren keine ähnlichen Gewalttaten mehr gegeben hatte?
Der Inka-Pfad wird jährlich von etwa einer viertel Million Touristen frequentiert. Das bedeutet, dass von 1995 bis 1999 1,25 Millionen Touristen den Pfad bewanderten. Mit Ausnahme von Ursula Glück-Tesler war niemand Opfer eines Tötungsdelikts geworden.
Selten war ein Tatort anschaulicher, genauer und akribischer dargestellt worden. Jeder Meter wurde dem Gericht durch Fotoaufnahmen präsentiert. Im Gerichtssaal hingen große Lagekarten und Bildaufnahmen. Dadurch konnten sich die Richter und Schöffen ein genaues Bild der dortigen Örtlichkeiten einschließlich des Tatorts verschaffen.
Das Schwurgericht machte sich seine Aufgabe nicht leicht. Und dafür ist diese Kammer auch bekannt. Jedes Detail wurde akribisch geprüft und kritisch bewertet. Jede Zeugin und jeder Zeuge wurde erschöpfend vernommen. Nichts, aber auch gar nichts, was im Rahmen der Ermittlungen zusammengetragen worden war, blieb unberücksichtigt. Zum ersten Mal in der Justizgeschichte wurde die Vernehmung eines Zeugen in Israel per Videokonferenz aus dem Gerichtssaal durchgeführt, sie dauerte vier Stunden.
Das Gericht hatte sich mit insgesamt mehr als sechzig Beweisanträgen der Verteidigung auseinanderzusetzen. Wohl einmalig dürfte sein, dass ein Angeklagter, der während der gesamten Verhandlung geschwiegen hatte, im Rahmen seines Schlussworts über dreißig weitere Beweisanträge stellte.
Das Gericht war am Ende von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Der Grundsatz in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten) konnte nicht greifen, weil das Gericht keine Zweifel hatte!
Der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs verwarf die Revision des Angeklagten im März 2003, da keine Rechtsfehler vorlagen. Damit war das Urteil endgültig und rechtskräftig.
Schlussbemerkung
Insbesondere die beiden Sachbearbeiter, Iris von Ohain und ihr Kollege Rudolf Assmann, hatten in diesen drei Jahren intensivster Ermittlungstätigkeit Tausende von Überstunden geleistet und waren dabei bis an die Grenzen ihrer psychischen und physischen Belastbarkeit gegangen. Ihre hohe Motivation war auch nicht dadurch getrübt worden, dass gelegentlich die Frage aufgeworfen wurde, ob sich ein solcher Ermittlungsaufwand überhaupt lohnen würde, zumal der Ausgang völlig ungewiss war. Dazu folgende Anmerkung:
Das Leben ist das kostbarste und höchste Rechtsgut, das wir Menschen haben. Wer ein Menschenleben vorsätzlich vernichtet, begeht das schwerste Verbrechen, das wir
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