Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Firma AUBIS, Päckchenverteiler und Beinahebesitzer eines Internetcafés im eigenen Wohnblock.
Vater Petroll und alle Freunde von Lars-Oliver können sich nicht vorstellen, was ihn zum Selbstmord getrieben haben könnte. Der Vater gibt aber zu Protokoll, dass sich sein Sohn bedroht gefühlt habe. Die AUBIS-Chefs hätten ihn unter Druck gesetzt, weil sein Sohn »von deren Unregelmäßigkeiten gewusst« habe. Auch von einem Päckchen, das sein Sohn einer Freundin gegeben habe, wusste er. Sie sollte gut darauf aufpassen, hatte es dann aber irgendwo hingelegt und vergessen. Darüber sei Lars-Oliver sehr böse gewesen.
Außerdem wusste er auch etwas über Carola Clement, die ehemalige Chefsekretärin und Exgeliebte von Lars-Oliver. Sie habe dem Programmierer eine Reisetasche mit Liebesbriefen des Chefs der Firma Elpag, Sven Asmus, und verschiedene Disketten gegeben. Das war eine brandheiße Information, denn die Firma Elpag belieferte die von AUBIS sanierten Wohnungen mit überteuerter Fernwärme. Die Überschüsse aus diesem verfilzten Geschäft sollen umverteilt worden sein. Wenn nun zum finanziellen Debakel auch noch eine Liebesaffäre hinzukäme, bekäme die eigentlich langweilige Finanzwiderlichkeit vielleicht noch eine sexuelle Note. Da ChristianNeuling, einer der beiden AUBIS-Chefs, bis 1994 MdB und auch danach einflussreicher CDU-Politiker war, ging es also wieder um alles auf einmal: Geld, Macht, Energie – und nun vielleicht auch noch Sex.
Doch das war nur eine Finte. Die Tasche mit den angeblichen Liebesbriefen »und einigen Disketten« sollte angeblich am Flughafen Tegel in einem Schließfach liegen. Nach den Anschlägen vom 11. September, so die Geschichte von Carola Clement, sei das Schließfach geöffnet worden. Der Inhalt sei an die einzige in der Tasche befindliche Adresse – die von Elpag-Chef Sven Asmus – gesandt worden. Um die Sache noch heikler, verrückter und verwobener zu machen, berichtete Vater Petroll noch, wer das alles ursprünglich erzählt hatte: nicht etwa die ehemalige Freundin seines Sohnes, Carola Clement (die nun auf der Suche nach den Päckchen war) – sondern Tanja Wienhold, die Tochter des AUBIS-Chefs.
Weder Herr Petroll sen. noch die Polizei hatte eine Ahnung, welches Wespennest mit dieser Aussage angestochen worden war. Denn erstens waren in der Reisetasche keine Liebesbriefe, zweitens gibt es am Flughafen Tegel keine Schließfächer, und drittens wurde im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen nach dem 11. September keine entsprechende Tasche gefunden und geöffnet.
Und noch etwas wusste zunächst keiner von Lars-Olivers Freunden. Im Juli 2001 hatte Petroll vom Konto der beiden AUBIS-Chefs Klaus-Hermann Wienhold und Christian Neuling eine Überweisung von zehntausend DM erhalten. Der Polizei, die darüber längst informiert war, musste nun eigentlich klar werden, dass hier etwas nicht stimmen konnte. In der Geschichte von der Reisetasche trafen sich direkt und indirekt alle Personen, die gerade das Land Berlin in den endgültigen Bankrott stürzten oder dabei zusahen.
Und wirklich – im Zwischenbericht der Polizei vom 28. November heißt es zum Zeugen Petroll »im Wirtschaftsstrafverfahren gegen Klaus-Hermann Wienhold und andere«, dass
– der Programmierer als EDV-Chef tiefe Einblicke in die Geschäfte von AUBIS hatte;
– er gewusst haben musste, dass es »zu großen Unregelmäßigkeiten mit der Energiefirma Elpag aus Leipzig kam«, von der die offenbar absichtlich überhöhten Energierechnungen kamen;
– er von den AUBIS-Chefs und CDU-Politikern Wienhold und Neuling zehntausend Mark überwiesen bekommen hatte;
– er sein Insiderwissen trotzdem einer der an der Bankgesellschaft beteiligten Banken – der Berlin Hyp – gegen Bezahlung angeboten hatte und damit AUBIS unter fürchterlichen Druck setzte;
– er mehreren Freunden gegenüber gesagt hatte, dass er durch Mitarbeiter von AUBIS bedroht werde;
– er am Tag bevor seine Leiche gefunden wurde, Carola Clement, die ehemalige Chefsekretärin, treffen wollte;
– er seinem Vater dann die letzte SMS sandte.
Aus alldem zog man im LKA daher den richtigen Schluss, dass »aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse ein Fremdverschulden nicht mehr auszuschließen ist«.
Ein Schließfach im Nirgendwo
Egal, ob Petroll sich umgebracht hatte, weil er sich von AUBIS bedroht fühlte, oder ob er wirklich im Auftrag von AUBIS getötet wurde, zwei wichtige Fragen blieben offen: Erstens, was befand
Weitere Kostenlose Bücher