Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
die Sache. Da Petroll im Verfahren gegen AUBIS befragt werden sollte, war seine Wohnung schon im September aufgebrochen und nach Hinweisen auf die Arbeit der hochverdächtigen Firmengruppe durchsucht worden.
Wie üblich wurde danach ein neues Schloss in die Wohnungstür eingesetzt und die dazu passenden Schlüssel der nächsten Polizeiwache übergeben. An Petrolls Tür klebte seitdem der Hinweis, dass er die Schlüssel dort abholen könne. Weil er das aber nicht tut, schreibt die Wache ihm einen Brief, der mit der Begründung nicht zugestellt wird, dass der Briefkasten überfüllt sei.
Deshalb ruft ein Beamter beim Landeskriminalamt an, denn das LKA hatte damals bei der Durchsuchung das Sagen. Dieses Telefonat – ausgelöst vom Wunsch, die Schlüssel loszuwerden – bewirkt, dass die Polizisten nun die losen Fadenenden erkennen. Obwohl er keine Vermisstenmeldung aufgeben durfte, hatte Petrolls Vater mehrfach angerufen und gemeldet, dass sein Sohn verschwunden sei und niemand, auch nicht seine Freunde, wüsste, wo er sei.
Das gab aber keinen Sinn. Denn der Chefprogrammierer von AUBIS war nicht Verfolgter, sondern Zeuge in der Sache. Niemand beschuldigte ihn der Teilnahme an den Schiebereien und Geschäften. Er hatte also auch keinen Grund unterzutauchen. Und nun endlich, am 12. November, leitet die Kripo selbst das Vermisstenverfahren ein.
Gesucht wurde nun ein »vermisster Erwachsener«, zweiunddreißig Jahre alt, ein Meter achtzig groß, schlank, dunkelbraune, eher kurze Haare, braune Augenfarbe, keine besonderen Kennzeichen wie Narben oder Tätowierungen. Doch es gibt keine dazu passenden Meldungen. Also gehen zwei Polizisten drei Tage später in Petrolls Wohnung, um nach Spuren zu suchen. Dieselbe Wohnung, die auf Lars-Olivers Freund leer und trist gewirkt hatte, machte auf die Beamten nun einen chaotischen Eindruck. Aus der Unordnung fischen sie einige unbezahlte Rechnungen und Verträge für das Internetcafé, das Petroll im selben Haus eröffnen will.
Interessanter sind aber sein Personalausweis und ein Foto, die beide ebenfalls herumliegen. Um sicherzugehen, dass es sich auf dem Foto wirklich um Petroll handelt, fragen sie ineiner Änderungsschneiderei im Erdgeschoss nach. Die Besitzerin des Ladens erkennt Lars-Oliver auf den Fotos wieder. Sie erzählt, dass sie in den vergangenen Monaten für ihn einige Pakete angenommen habe. Die seien aber schon im September von einer Freundin Petrolls abgeholt worden. Dass derweil ein Anwalt und eine einstige Chefsekretärin bei Petrolls Freunden ebenfalls auf der Suche nach Päckchen sind, wissen die Polizisten nicht.
Mit den Fotos von Petroll fahren sie zurück in die Dienststelle, durchforsten die Vermisstenkartei und landen einen Treffer: »Bei einem Vergleich des Fotos des Vermissten mit einem Lichtbild einer am 29. September 2001 im Jagen 59, 14193 Berlin, Königsweg, aufgefundenen erhängten Person konnte eine sehr hohe Ähnlichkeit festgestellt werden. Der Vermisste ist nach hier vorliegenden Erkenntnissen Zeuge in einem Wirtschaftsprozess, Az. 3 WI Js 745/01.« Dies ist das Verfahren gegen AUBIS, in dem es zunächst um Millionen, später dann um Milliarden geht.
Zwischenspiel
Kurz nach dem Verschwinden Petrolls ereignete sich ein merkwürdiges Treffen. Eine Freundin von Lars-Oliver hatte dessen Mietwagen benutzt und dabei einen Unfall gebaut. Um den Versicherungskram zu regeln, traf sie sich mit Andreas Lieske – dem AUBIS-Anwalt, der später auf der Suche nach Petroll und den Päckchen wiederauftaucht. Dabei gab Lieske eine Nachricht für Petroll weiter: Lars-Oliver solle sich bei Klaus Wienhold melden – also niemand Geringerem als einem der beiden Chefs der AUBIS-Gruppe. Zwar war Petroll deren EDV-Chef gewesen, aber zurzeit arbeitete er nicht für sie. Was wollte Wienhold von Petroll? Einen Tipp gibt Lieske: Er sei »stinksauer« auf Lars-Oliver, weil »er es wirklich getan hat«. Wenn er ihn treffe, werde er ihm ein paar in die Fresse hauen. Wienholdhabe nämlich erfahren, dass Petroll der Bankgesellschaft (beziehungsweise AUBIS) »Dokumente« angeboten habe. Dokumente – vielleicht zu Paketen geschnürt und irgendwo gelagert?
Der Nebel lichtet sich
Inzwischen hat der Erkennungsdienst in Petrolls Wohnung Fingerabdrücke genommen und sie mit den Fingerlinien der unbekannten Leiche aus dem Grunewald verglichen. Nun endlich ist Leiche Nr. 1845/01 sicher identifiziert: Es ist in der Tat Lars-Oliver Petroll, früherer Leiter der EDV-Abteilung der
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