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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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sich in der Reisetasche und den Päckchen, die Petroll verteilt hatte? Und zweitens, woher wusste AUBIS überhaupt, dass Petroll versuchte, sein Wissen an die Berlin Hyp zu verkaufen? Denn ohne das Wissen um dieses Angebot hätte sich bei AUBIS auch niemand Sorgen um den Programmierer machen müssen. Er wäre dann halt ein schwieriger Mensch gewesen, der aber mit einigen AUBIS-Mitarbeitern befreundet war und nach Aussage der AUBIS auch schon eine Verlängerungseines Arbeitsvertrags mit ihnen ausgehandelt hatte. Niemand musste diesen Mann fürchten – es sei denn, jemand hatte ihn und seine Pläne, AUBIS auffliegen zu lassen, verraten.
    Von Petrolls Plänen hätte auch vorab niemand etwas erfahren, wenn in der Gepäckaufbewahrung in Tegel nicht eines Tages eine silberfarbene Sporttasche als überfällig aussortiert und an das zentrale Fundbüro in Tempelhof weitergeleitet worden wäre. Den Gepäckschein besaß Lars-Oliver Petroll, doch erstens wussten das die Leute vom Schalter nicht, und zweitens kam der Inhaber der Abholkarte nicht. Die Tasche war am 21. Juli 2001 aufgegeben worden, und so beschlossen die Mitarbeiter des Zentralen Fundbüros nach zwei Monaten, sie zu öffnen und den Besitzer zu ermitteln. Es ist nun also Ende September – wenige Tage vor dem Tod Petrolls.
    Die Mitarbeiterin findet in der Tasche zwei Umschläge, in denen Zettel mit den Namen »Asmus«, »Hölz« und »Fa. AUBIS« sind. Sie ruft also bei AUBIS an und fragt nach. Man teilt ihr mit, dass man die beiden Herren mit diesen Namen informieren werde. Tatsächlich meldet sich kurz darauf Sven Asmus, der Elpag-Chef aus Leipzig. Er beschreibt die Tasche und sagt, sie gehöre ihm. Herr Hölz von AUBIS würde vorbeikommen und sie holen; eine Vollmacht werde er sogleich durchfaxen. Und das tut er auch.
    Zwei Tage später erhält Hölz die Tasche, bringt sie zur Firma und übergibt sie der Tochter des Chefs, Tanja Wienhold. In der Tasche, so ermitteln die Journalisten Olaf Jahn und Jens Anker
(Berliner Morgenpost)
sowie Susanne Opalka und Ursel Sieber (ARD Kontraste) später, war aber außer den Umschlägen noch etwas anderes: etliche »ungewöhnlich kleine Kassetten, wie Tonbänder für Anrufbeantworter. Auf ihnen waren Wochentage notiert sowie die Begriffe »Volksbank« und »H. Pottmann«.
    Kleine Bandkassetten in den Händen eines EDV-Menschen einer großen Firma: Das können nur Streamerbänder sein. Auf ihnen werden große Datenmengen gesichert, meist alsSicherheitskopien. Die Beschriftung war ganz normal: nach Thema und Datum sortiert.
    Diese Bänder – und keineswegs die erfundenen Liebesbriefe – waren es, die Petroll das Leben kosteten. Mit den Bändern hätten vielleicht weit mehr Verfahren gegen die verdächtigen Mitarbeiter der Bankgesellschaft anhand von harten Beweisen abgewickelt werden können. Denn leider wurde von den weit über hundert Verfahren nur eine Handvoll abgeschlossen. Und das, obwohl zeitweise zwölf Staatsanwälte, zehn Wirtschaftsreferenten und einundzwanzig Kripobeamte in einer zweihundertfünfzig Quadratmeter großen Halle insgesamt 5750 Stehordner Akten und vier Millionen Dateien auswerten.
    Doch wo sind die Bänder gelandet? Im Nirgendwo. Da die Polizei den Zusammenhang zwischen dem Tod Petrolls, seiner zunächst uninteressanten Reisetasche und dem größten Bankenskandal Deutschlands anfangs nicht sehen kann, wirdAsmus nur ein einziges Mal nach den »Liebesbriefen und Disketten« befragt. Ja, die Tasche hat er erhalten. Nein, der Inhalt existiert nicht mehr. Er hat alles vernichtet. Alles, auch die Disketten.
    Abb. 49: Streamerbänder als Speichermedium, wie sie im Fall Petroll erst auftauchten und dann wieder verschwanden. (Foto: M. Benecke)
    Dass es aber vollkommen unsinnig ist, dass Asmus einen Packen Liebesbriefe ausgerechnet seinem EDV-Chef überreicht haben soll, der diese dann angeblich in einem Schließfach am Flughafen lagert und noch ein paar Disketten dazupackt, fällt niemandem auf. Mindestens ebenso unsinnig ist es natürlich auch, diese offenbar wertvollen Dinge sofort nach ihrem Rückerhalt zu vernichten.
    Tatsächlich erfuhren die Chefs von AUBIS und Elpag nur durch den Anruf des Fundbüros von der Tasche. Sie dachten sich zunächst vermutlich nichts dabei, und von der Tasche hatte auch noch nie jemand etwas gehört. Petroll hatte sie heimlich mit den Datenbändern gefüllt und versteckt – niemand sonst wusste davon. Erst als die Tasche bei AUBIS beziehungsweise Elpag in Leipzig ankam,

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