Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Befragung. Dann wird er richtig sauer über die Tatsache, dass der Beamte Petrolls Handy nicht mitnehmen wollte. Ein Handy? Sehr spannend, wo ist es denn geblieben? Biermann hat es zu Hause auf dem Küchentisch liegen lassen, die Kripo wollte es ja nicht haben. DieseErkenntnis erstaunt ihn immer noch, hat er doch auf dem Handy nachgeschaut und festgestellt, dass ›ziemlich heiße Nachrichten gespeichert sind‹. Mehr will er aber leider nicht verraten, er will sich erst überlegen, wie er mit dem Telefon umgehen will. Wir verabreden einen neuen Treff und verabschieden uns nach einem einstündigen Gespräch. Ein wichtiger Kontakt ist geknüpft.
Einige Tage später meldet sich Biermann, dieses Mal ein wenig entspannter. Locker verabreden wir uns für den Abend, an einem neuen Ort, wieder in einer Kneipe. Petrolls Freund kommt gleich zur Sache: Er legt das Handy des Verstorbenen auf den Tisch. Dabei sagt er uns: ›Da sind viele SMS-Nachrichten drauf. Eine habe ich versehentlich gelöscht. Sie war von Mitte Juli. Der Inhalt lautete etwa: ›Die Überweisung ist raus. Sei in Zukunft vorsichtiger mit deinen Äußerungen.‹
Wir fragen Biermann noch einmal nach den letzten Tagen, an denen er Petroll erlebt hat. Sein Freund sei im September in normaler, ruhiger bis fröhlicher Laune gewesen. Ihm sei nichts Besonderes aufgefallen. Am Tag vor seinem Verschwinden sei Petroll früher als sonst schlafen gegangen. Das habe ihn gewundert. Am nächsten Tag hätten sie dann gegen Mittag gemütlich gefrühstückt. Die Stimmung sei einfach normal gewesen.
Dann gibt Biermann uns das Handy. Die Sache hat allerdings einen Haken: In dem Gerät ist kein Chip. Wie also kommen wir jetzt an die Daten, die hoffentlich noch im Handy-Speicher sind. Biermann hat einen Tipp: Er selbst habe einfach seinen eigenen Chip eingesetzt und die dazugehörige PIN-Nummer eingegeben. So konnte er die SMS-Nachrichten abrufen und die Telefonnummern. Diesen Trick demonstriert er uns und sagt großzügig: ›Den Chip könnt ihr mitnehmen. Ich brauche ihn nicht mehr.‹ Als wir uns von Biermann verabschieden, gibt er uns noch etwas mit auf den Weg: Er möchte seinen Namen nicht irgendwo in den Medien wiederfinden.
Auf der Rückfahrt in die Redaktion behandeln wir das Handy wie ein rohes Ei: bloß keinen Fehler machen. Bloß nicht irgendwie die Nachrichten löschen. Zur Sicherheit bemühen wir einen Mitarbeiter für Kommunikationstechnik im Sender Freies Berlin (SFB). Als Erstes rufen wir die Mailbox an. Ruhig sagt eine weiche, männliche Stimme: Lars-Oliver Petroll. Erschrocken begreifen wir, dass wir ihn zum ersten Mal persönlich gehört haben. Das Handy mit der D2–Nummer 0172/75 47 888 hat insgesamt siebzig Einträge im Nummernverzeichnis. Dazu sind noch einundvierzig SMS-Nachrichten gespeichert. Eine ganze Menge. Um die Telefonnummern möglichst schnell abzutelefonieren, teilen wir sie in zwei Gruppen auf. Einige der Anschlüsse sind inzwischen neu vergeben. Die Teilnehmer kennen Petroll nicht. Enge AUBIS-Mitarbeiter und Vertraute von Wienhold und Neuling sortieren wir aus, es macht wenig Sinn, sie anzurufen. Zuerst sprechen wir mit ehemaligen Kollegen. Bei den meisten Gesprächen erhalten wir die eine oder andere Information.
Viele Freunde und Bekannte zeigen sich noch immer entsetzt über Petrolls Tod. Sie wundern sich, dass wir anrufen und nicht die Kripo. Die Polizei habe noch nicht bei ihnen vorbeigeschaut. Im Verlauf der Gespräche stellen sich zwei Einschätzungen über ihren toten Freund als unumstritten heraus: Er war nie und nimmer ein Selbstmordkandidat. Und seine Charaktereigenschaften schildern alle stimmig: Ein fröhlicher, offener, leicht verspielter Frauentyp sei er gewesen. Und ein sehr intelligenter Kerl, der eine große Leidenschaft hatte: Computer, Handys, alles, was mit moderner Datenverarbeitung zu tun hatte.
Ein Satz, der uns immer wieder begegnet, lautet: ›Ohne seine Handys, seinen Cassiopeia, seine Digitalkamera, seine tragbare Festplatte und sein Leatherman wäre er nie losgezogen. Das ist schlichtweg unvorstellbar.‹ Und noch eines betonen sie immer wieder: Er liebte seine kleine Tochter über alles.
Unter den Telefonnummern ist auch eine, die Petrolls Freund Hakan gehört. Doch trotz mehrmaligem Anrufen meldet sich niemand. Nach mehreren Tagen mit immer wieder vergeblichen Anrufen machen wir uns auf den Weg nach Hamburg. Hakan gehörte zu den engsten Freunden Petrolls. Er hat oft bei ihm übernachtet. Vielleicht hat er
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