Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Fall erinnert an den der obdachlosen, psychisch kranken Frau, die hier im selben Jahr von einem Polizisten erschossen wurde, nur weil sie mit einem Schraubenzieher auf ihn losging.«
Das Hin und Her führte im Februar 2003 zu folgendem Ergebnis: Hopper wurde nicht angeklagt, sondern in den Innendienst versetzt, und Cochran konnte aus dem Stadtbudget immerhin noch 225 000 Dollar für sich und die Familie loseisen. Trotz der für die USA vergleichsweise niedrigen Summe redeten die Anwälte das Ergebnis schön: »Wenn die Stadt Los Angeles nicht der Meinung wäre, dass Hopper etwas falsch gemacht hätte, dann hätte sie auch nicht gezahlt.« Damit war der Fall juristisch erledigt.
Derweil fragten sich die Forensiker noch immer, wie um alles in der Welt die Lage und Anzahl der Schüsse zu erklären war. Diese zumindest für uns alles entscheidende Frage war, ganz im Stil der rein politischen Auseinandersetzung, unter den Tisch gefallen. Erst im Juli 2003 erfuhren wir die Auflösung. Sie entzieht sich dem gesunden Menschenverstand, wenn man die Experimente nicht mit eigenen Augen sieht.
Tom Streed, ein ehemaliger Ermittler, und die Firma Biodynamics Engineering ließen Hopper antreten und stellten die gesamte Szene nach. Sie gaben Hopper jeweils ein Signal und ließen ihn daraufhin auf ein Ziel schießen. Das Ganze wurde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgezeichnet. Dabei zeigte sich zur Überraschung aller, dass Hopper höchstens 2,293 Sekunden brauchte, um die Waffe zu ziehen, zu zielenund alle neun Kugeln abzuschießen. In einem der fünf Versuche schaffte er sogar die unvorstellbare Zeit von 1,826 Sekunden für den gesamten Ablauf. Es war also kein Wunder, dass Lee noch im Stehen mehrmals getroffen worden war. Als er erkannte, dass der Polizist echt und alles kein Halloween-Spaß war, hatte er sich zwar noch blitzschnell weggedreht. Doch Hopper hatte ihn schon im Visier und schoss das Magazin in einem Durchgang leer. Sehen konnte er dabei nur wenig, da er durch die berstenden Glasscheiben schoss. Dass Hopper nicht mehr auf den fallenden Lee zielte, erkennt man in Abb. 58. Die Projektile stecken alle auf Höhe des Oberkörpers in der Wand.
Besonders erstaunlich ist die Schussgeschwindigkeit auch noch aus einem anderen Grund. »Eigentlich gibt man erst einmal zwei oder drei Projektile ab«, erklärte Ermittler Streed, »und dann überlegt man, was weiter zu tun ist.« Dass Hopper genau das nicht tat, lag vielleicht daran, dass er einerseits erst seit drei Jahren Polizist war, andererseits wohl wirklich kaum etwas sehen konnte und daher mit so vielen Schüssen wie möglich auf Nummer sicher gehen wollte.
»Polizist Hopper hat in Abwehr von Gefahr, die gegen ihn und andere gerichtet war, gehandelt, als er Anthony Dwayne Lee erschoss«, fassen die Staatsanwälte es noch einmal zusammen. »Wir schließen daher die Akte und werden keine weiteren Maßnahmen ergreifen. Hochachtungsvoll – Der stellvertretende Staatsanwalt.«
Epilog
Der Todesschütze wurde in den polizeilichen Innendienst versetzt. »Disziplinarische Gründe gab es dafür aber nicht«, meldete das LAPD vorsorglich.
Unregelmäßigkeiten im Polizeirevier gab es aber weiterhin. Im Jahr 2001 flog beispielsweise Rafael Perez, einer von Hoppers Kollegen, auf. Er hatte sichergestelltes Kokain ausdem Beweisraum des LAPD gestohlen. Als er daraufhin eine von der Presse als »lächerlich niedrig« bezeichnete Haftstrafe von drei Jahren antrat, begann Perez zu plaudern. Er belastete über siebzig weitere Polizisten, die unschuldigen Menschen Beweise untergeschoben, sie angeschossen und/oder festgenommen hatten. Daraufhin mussten die Gerichte über hundert Kriminalfälle neu aufrollen. Dieses Mal wurden die
deep pockets
der Stadt Los Angeles wirklich beansprucht: Es wurden mehrere Millionen Dollar als Entschädigungen für die angeblich Überführten fällig.
Es blieb allerdings bei der Entscheidung, dass sowohl Hopper als auch der Polizist, der die geistig kranke Person erschossen hatte, »rechtens und in Übereinstimmung mit den Vorschriften« gehandelt hatten. Das Misstrauen von Lees Angehörigen gegenüber der Polizei war angesichts solcher Wirrungen durchaus verständlich.
Der Schauspieler hatte Partys und Partydrogen gemocht und war ein großer, schwerer, dunkelhäutiger Mann gewesen, der einem ängstlichen Menschen vielleicht Furcht einflößen konnte. Trotzdem war Anthony Lee völlig harmlos. Getötet hatten ihn weniger die Vorurteile, die ein
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