Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
mir, an die Alferd-Packer-Salatbar. Guten Appetit!
Abb. 17: Das Studentenwerk der Universität Colorado hat Humor: Die Mensa heißt »Alferd Packer Grill«, benannt nach dem bekannten örtlichen Kannibalen. Man beachte das verwendete Wortspiel: »You have good taste.« – »Du hast guten Geschmack.« (Foto: University of Colorado, Dept. Student Affairs)
Kannibalismus als Schutz vor Behörden (1900/01)
Im folgenden Fall sind die tieferen Tatmotive nicht recht klar; das macht die Geschichte aber umso spannender. Überliefert ist er uns durch die Aufzeichnungen des Staatsanwalts August Nemanitsch, die ich, wie alle Originaltexte im vorliegenden Buch, ganz leicht modernem Deutsch angepasst, ansonsten aber so gelassen habe, wie sie ohnehin schon sind – verblüffend und geradeheraus.
Dem Fall vorangegangen war das Verschwinden der kleinen Johanna Bratuscha, geboren am 24. Mai 1888. Am 6. Mai 1900 war sie zuletzt bei Bauern aus der Umgebung ihres Wohnorts gesehen worden. Diese Zeitspanne ist schon seltsam genug, denn eigentlich lebte Johanna bei ihren Eltern, Winzern in Prassdorf (bei Monsberg im Bezirk Pettau, heute: Ptuj, Slowenien). Allerdings hatte Johannas Vater seine Tochter schon zehn Tage zuvor, am 26. April, beim zuständigen Gendarmerie-Wachtmeister Alois L. in Maria Neustift als vermisst gemeldet.
Dass die Polizei dem Kind nicht sofort hinterhergejagt war, machte nichts. Vater Bratuscha hatte seine Tochter derweil nämlich schon längst aufgegessen. Das kam aber erst ein Jahr später heraus, als er zu einem Behördentermin gebeten wurde…
Der Staatsanwalt berichtet:
»Als Franz Bratuscha für den 16. April 1901 als Zeuge ins Kreisgericht Marburg [M. an der Drau; heute: Maribor] vorgeladen wurde, um über seine verschollene Tochter Auskunft zu erteilen, begab er sich am 14. April in die Gendarmerie-Kaserne nach Maria Neustift und fragte den Wachtmeister Alois L. in aufgeregter, aber erstaunlich freundlicher Weise, ob er als Zeuge unbedingt erscheinen müsse. Als ihm der Bescheid gegeben wurde, dass er Gehorsam leisten müsse, entfernte er sich mit den Worten: ›Gott sei Dank, dass mir in der Sache nichts geschehen kann.‹
Weil dieses Benehmen Alois L. auffiel und er überdies erfuhr, dass Franz Bratuscha seine Kinder barbarisch zu misshandeln pflegte, stieg in ihm die Vermutung auf, dass derselbe sein angeblich verschollenes Kind ermordet haben könnte. Er begab sich daher am 20. April nochmals in dessen Behausung und fand bei der Befragung des Vaters hinsichtlich der Kleider des Kindes so bedeutende Widersprüche, dass er zu einer Hausdurchsuchung schritt.
Er fand dabei in einer Kiste eine Jacke, einen Oberrock und zwei weiße Unterröcke des abgängigen Mädchens und gewahrte an denselben Blutspuren. Franz Bratuscha wurde hierüber derart erschreckt, dass er ein Geständnis ablegte, welches er bei seinem ersten Verhör vor dem Untersuchungsrichter wie folgt wiederholte:
›Meine Tochter Johanna Bratuscha war am Ostermontag 1900 aus meinem Haus geflüchtet, weil sie einen Kastanienbaum angezündet hatte. Das übergreifende Feuer hätte fast das Haus von Maria Menzinger in Brand gesetzt, weshalb Frau Menzinger meiner Tochter mit Misshandlungen drohte.
Ich habe mich danach zwar überall nach dem Aufenthaltsort meiner Tochter erkundigt, konnte aber nichts in Erfahrung bringen. Einige Tage vor dem hl. Pankratius, also dem 12. Mai 1900, ging ich im Wald meines Dienstgebers loses Holz sammeln. Hier stieß ich auf einmal zirka zweihundert Schritte von meiner Wohnkeusche entfernt auf meine Tochter Johanna. Sie war ganz abgemagert und ausgehungert und lag vor Schwäche auf dem Boden, ohne einen Laut von sich zu geben.
Gleichwohl bemerkte ich sofort, dass sie noch lebte. Ich stellte sie also auf die Beine, sprach sie an und versuchte, sie zum Sprechen zu bewegen. Sie flüsterte jedoch nur ganz stille vor sich hin, sodass ich ihre Worte nicht verstehen konnte. Wie sie die Füße nicht tragen konnten, fiel sie in sich zusammen auf den Boden. Auf das hin umfasste ich sie mit beiden Händen um den Hals und drückte ihr etwas über fünf Minuten die Kehle kräftig zusammen, indem ich sie auf diese Art erwürgte.Sie wehrte sich nicht, und als ich die Hände von ihrem Halse wegzog, atmete sie nicht mehr.
Ich war schon lange auf mein Kind böse, weil es nicht gehorsam war, oft die Schule versäumte und jetzt nicht heimkehrte; da ich mir überdies dachte, dass dasselbe ohnehin für nichts auf der Welt sei, dass
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