Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
begonnene »Festmahl« im Lauf der kommenden Wochen beendet.
Neun Jahre später wurde Packer wieder aufgespürt und festgesetzt, dieses Mal in Cheyenne im Staat Wyoming. Er wurde zwar zum Tode verurteilt, die Hinrichtung per Strick wurde aber trotz des schon für den kommenden Monat anberaumten Termins aus unbekannten Gründen nicht vollzogen. Am Richter war der Vollzug sicher nicht gescheitert, denn Judge Melville Gerry hatte sich noch lange nicht abgeregt. »Ich würde Sie am liebsten direkt in die Hölle schicken«, erklärte er Packer bei der Urteilsverkündung am 13. April 1883, »aber das ist ja leider nicht erlaubt.«
Trotz dieser und weiterer kräftiger Worte – Richter und Angeklagter standen sich darin in nichts nach – wurde das Urteil schließlich wegen Problemen mit einer rückwirkenden Gesetzesänderung aufgehoben. Es kam zu einem neuen Verfahren, doch auch hier war die Strafe nicht wesentlich milder: Packer erhielt diesmal vierzig Jahre Haft – acht Jahre pro getöteter Person (diese etwas krämerische Strafaddition ist in den USA üblich).
Er kam aber bereits im Jahr 1901 frei, vermutlich wegen der Fürsprache der
Denver Post
, der erstens die Beweislast gegenPacker als Mörder zu dünn war und die ihn zweitens auf eine Kannibalen-Freak-Tour schicken wollte. Möglich wurde diese vorzeitige Entlassung auch deshalb, weil Packer im Gefängnis
everybody’s darling
gewesen war. Der ansonsten recht grobe Mann züchtete dort unter anderem Blumen und bastelte Täschchen für Uhren. Außerdem litt Packer an einigen Krankheiten, die man als Haftausschluss werten konnte, wenn man denn wollte, darunter Nierenprobleme und Wassereinlagerungen im Gewebe.
Nach seiner Entlassung lebte Packer zurückgezogen von einer Rente von fünfundzwanzig Dollar im Monat. 1907, im Alter von vierundsechzig Jahren, starb er schließlich als freier Mann in Littleton im Bundesstaat Colorado. Erst nachträglich wurde er offiziell für unschuldig erklärt. Wie es bei der Justiz vorkommen kann, dauerte das aber etwas länger, nämlich bis zum Mai 1981.
Der späte Freispruch beruhte darauf, dass es streng genommen keinen Beweis für Packers Schuld und stattdessen viele Widersprüche in den Aussagen der Leichenuntersucher und auch von Packer selbst gab. Weitere zwanzig Jahre später gelang es aber (vielleicht), den letzten Schritt zu gehen – manche meiner Kollegen meinen, dass Packers Unschuld nun endlich bewiesen ist.
Die betreffende Spurenuntersuchung führte der schon erwähnte Museumsmann David Bailey durch. Im Jahr 1994 durchstöberte er im Museum of Western Colorado eine alte Sammlung von Schusswaffen. Dabei stach ihm ein Colt mit 38er Kaliber, Baujahr 1862, ins Auge, der zwar total verrostet war, in dessen Walze aber noch drei von fünf möglichen Geschossen steckten. Auf der zum Revolver gehörenden Karteikarte stand der karge Satz: »Diese Waffe wurde dort gefunden, wo Alferd Packer seine fünf Kameraden erschossen und aufgegessen hat.«
»Dass das rostige Relikt die Waffe war, mit der Packer Shannon Bell erschossen haben sollte, faszinierte mich natürlich«,berichtete Bailey. »Also wühlte ich weiter und fand heraus, dass das betreffende Colt-Modell nicht die ursprüngliche Bauart aus dem Jahr 1862, sondern eine veränderte Version von 1873 war, mit der man 38er Randfeuerpatronen abschießen konnte. Mit anderen Worten: Es war ein billiges Ding, und deswegen konnten es sich die Goldsucher und Minenarbeiter überhaupt leisten.«
Doch wie war der Revolver in die Museumssammlung gelangt? Es stellte sich heraus, dass die Waffe erst 1950 von einem Archäologiestudenten gefunden worden und auf allerlei Umwegen schließlich bei Bailey gelandet war. Zum Glück ließ sich aber der gesamte Weg anhand von Karteieinträgen der Vorbesitzer – alles penible Archäologen – nachvollziehen.
Da Bailey nun wusste, dass der Revolver tatsächlich vom Fundort der Leichen stammte, drehte er jedes Dokument, das er zu diesem Fall finden konnte, so lange um, bis schließlich fünf Jahre darüber vergangen waren. Eine Aktennotiz interessierte ihn dabei besonders: Dort hieß es, dass nur die Leiche von Shannon Bell zwei Schusswunden aufwies (ein Schuss war in seinen Hüftknochen geschlagen und hatte auch sein Portemonnaie getroffen), während die anderen Opfer miteinem Beil erschlagen wurden. Das war schon deswegen gut zu erkennen, weil die Leichen noch bekleidet waren, sodass Schusswunden nicht nur an den Knochen, sondern auch in
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