Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
stemmen, da jedes System, auch das gerichtliche, die Eigenschaft hat, auf bereits Bestehendem zu verharren, solange nicht eine echte Bombe platzt.
Abgesehen davon stellen sich noch andere Fragen. Hat Park, wenn er der Täter ist, seine Schuld nicht vielleicht dadurch abgebüßt, dass er ein vorbildlicher Bürger, ein liebevoller Vater und guter Lehrer war? Hat er damit den Menschen seiner Gegend nicht mehr geholfen, als er es als Häftling hätte tun können? Was wäre passiert, wenn er die Tat gestanden, aber die Verzweiflung über die ständigen Seitensprünge seiner Gattin als Grund angeführt hätte? Warum kommt ein Sachverständiger ungestraft davon, der eine Verbindung zwischen den Steinen von Parks Haus mit denen an der Leiche herstellt, bis sich herausstellt, dass die Steine ebenso gut von Hunderten anderen Stellen in der Gegend stammen könnten?
Wer ist in diesem Fall gut, wer böse? Wer hat wann und warum falsch gehandelt? Und darf man Menschen ohne einen einzigen handfesten Beweis ins Gefängnis schicken, nur weil man einen sehr starken Verdacht gegen sie hat?
Als Sachverständiger brauche ich mir diese Fragen zum Glück nicht zu stellen, denn ich berichte nur über die Spuren von Taten, bewerte sie aber nicht. Wahrscheinlich wäre ich ohnehin der schlechteste Richter, weil ich Zeugen kaum etwas glaube und daher in wackeligen Fällen stets zugunsten des Angeklagten entscheiden würde.
Doch ein solch einerseits weiches und andererseits nur auf Sachbeweise gerichtetes Menschenbild haben Sie sicher nicht. Wie also werden Sie entscheiden, wenn Sie eines Tages Geschworene, Laienrichter, Angehörige eines Opfers – oder selbst der Angeklagte sind?
Gedankensplitter zu Knoten
Knoten spielten auch in zwei anderen Fällen eine für mich verblüffende Rolle. Im Fall von Johann »Jack« Unterweger, einem Serientäter aus Österreich (1950–1994), wurde anhand der an den Leichen angetroffenen Knoten angenommen, es müsse sich immer um denselben Täter handeln. Leider weigerte sich meine Kollegin Lynne Herold vom Los Angeles County Sheriffs Department (LASD), die das Knoten-Gutachten angefertigt hatte, standhaft, sich zu ihrer Annahme zu äußern. Man könnte meinen, sie habe sich mit ihrem Gutachten zu weit aus dem Fenster gelehnt und nun ein schlechtes Gewissen – ich habe es trotz vieler freundlicher Nachfragen nicht erfahren.
Besonders spannend wäre es gewesen, die Knoten von den elf Leichen (oder zumindest den drei Leichen, die in Los Angeles gefunden wurden) mit den Knoten in der Kordel, offenbar aus Unterwegers Sporthose, zu vergleichen, mit der er sich im Gefängnis erhängt hatte. Der Vergleich würde sich lohnen, weil die ihm zugeschriebenen Toten ebenfalls mit Wäschestücken erdrosselt wurden. Da Lynne Herold sich aber davor drückt, sich zu ihrer Knotenuntersuchung zu äußern, bleibt die Antwort vorerst im Dunkeln.
Glücklicherweise sind wir heute kriminalistisch ohnehin nicht mehr zu sehr auf die etwas unsichere Untersuchung der Knüpfart von Seilen und anderen Würge- und Drosselwerkzeugen angewiesen: Meist finden sich mittlerweile biologische Spuren, die es erlauben, das Seil einem Täter zuzuordnen.
Auch im Fall Petroll (siehe Seite 368–409) ist der Henkersknoten im Seil an der Leiche interessant. Wer kann schon aus dem Stegreif einen solchen Knoten knüpfen (versuchen Sie es einmal)? Und warum sollte Petroll überhaupt einen solchen Knoten verwendet haben, wo man sich doch mit jedem beliebigen, einfachen Knoten erhängen kann? Auch hierführt die Spur leider ins Leere, denn diese Fragen wurden bei den Ermittlungen nicht gestellt, und das Seil ist mittlerweile verschwunden.
Abb. 28: Der Serientäter Johann »Jack« Unterweger wurde tot in seiner Zelle aufgefunden. Die Untersuchung des Knotens am Strick um seinen Hals hätte dabei helfen können, ihm vergangene Taten zuzuordnen oder ihn zu entlasten. (Foto: Akten)
3. SERIENMORD: JÜRGEN BARTSCH VS. LUIS ALFREDO GARAVITO
»Everything we can imagine does exist.«
Nicolae Paduraru
Da in diesem Buch, wie bereits angedeutet, nicht so sehr von Ermittlungen, sondern von der gesellschaftlichen Einordnung der Taten und den Eigenheiten der Täter die Rede sein soll, möchte ich im Folgenden die Taten und Denkweise zweier ungewöhnlicher Täter beschreiben.
Sie wuchsen zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ländern auf, waren verschieden alt, kannten sich nicht, wussten nicht mehr von anderen Serienmördern als jeder durchschnittliche
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