Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Autoskooter, einlud. So konnte er – auch für die Eltern der Kinderunauffällig – mit seinen möglichen Opfern in Kontakt kommen, da man ihn für den Ordner des jeweiligen Fahrgeschäfts halten konnte.
Abb. 30: Die Leichen der Kinder waren im Fall Bartsch nur halbherzig im Stollen vergraben worden und konnten daher rasch gefunden werden. (Repro: M. Benecke)
Die Taten wären mehrmals beinahe aufgeflogen. Besonders knapp war es, als Bartsch nach der Tötung von Klaus Jung im März 1962 der Meinung war, man müsste ihm die Taten ansehen, und daher einen Priester zu Hause aufsuchte, um zu beichten. Der Beichtvater meldete sich nicht bei der Polizei, riet Bartsch aber immerhin, sich zu stellen.
Das tat Bartsch nicht, verriet aber einem befreundeten Jungen namens Volker seine Tat. Der glaubte kein Wort, erzählte aber wiederum einem Freund die Geschichte. Nun wurde Bartsch die Sache doch zu heiß, und er brachte Volker in den Stollen. Zuvor hatte er die Leiche von Klaus Jung rasch begraben, sodass er nun »beweisen« konnte, dass sein Geständnis nur ein Märchen gewesen war.
In einem anderen Fall (Frühjahr 1962) zwang er ein Kind am helllichten Tag mit vorgehaltener Schreckschusspistole, mit ihm im Bus bis 1,6 Kilometer an den Stollen heranzufahren. Der entführte Junge traute sich nicht, im voll besetzten Bus etwas zu sagen, da er fürchtete, dass Bartsch ihn dann vor allen Leuten erschießen würde. Auch auf dem anschließenden Fußweg zum Stollen traute sich der Junge nicht zu fliehen. Bartsch war aber trotzdem so in Panik, dass er dem Jungen schließlich Fahrgeld in die Hand drückte und ihn unversehrt ziehen ließ.
Auch bei der Tötung von Ulrich Kahlweiß gab es Spuren, die Bartsch leicht hätten in die Enge treiben können, wäre er nicht so geistesgegenwärtig gewesen. Sein Freund Volker entdeckte im Wagen, in dem er Kahlweiß entführt und geschlagen hatte, Blutflecken an den Scheiben und am Wagendach. Bartsch behauptete, es handle sich dabei um Reste vom letzten Schlachttag, die »der Lehrling nicht gesäubert« habe.
Bartsch erklärte später, er habe seine Opfer durchaus gemocht, ja auf seine Art sogar geliebt und sie keineswegs ausHass umgebracht. Diese Aussage ist heute etwas verständlicher, da uns die Idee der »Bindung durch Einverleiben« mittlerweile vertraut ist.
Allerdings hatte Bartsch auch weniger stark von Gewalt geprägte Beziehungen, besonders zu dem schon erwähnten Volker. Von Anfang bis Mitte 1966 bezahlte Bartsch ihm je fünfzig bis hundertzwanzig DM aus der elterlichen Kasse für nächtliche Besuche mit Geschlechtsverkehr.
Im Internat hatte er zuvor allerdings schon grenzwertige Gefühle erlebt: Als er mit seinem Freund Detlef aus dem Heim abgehauen war, versuchte Bartsch, ihn vor einen Zug zu stoßen, der gerade vorbeifuhr. Detlef wertete dies als zufälliges Anrempeln, Bartsch gab aber später zu, dass er den Penis seines Freundes hatte berühren wollen. Da er aber fürchtete, zurückgewiesen zu werden, wollte er den Freund erst töten.
Bartschs Familie
Bartsch war ein uneheliches, adoptiertes Kind. Seine genetische Mutter hatte »sexuell bedingte Erziehungsschwierigkeiten« und war im Heim gewesen. Da ihr Ehemann nicht vom Russland-Feldzug heimkehrte, hatte sie eine Beziehung mit einem Bergmann begonnen, aus der Jürgen Bartsch hervorging. Seine leibliche Mutter litt an offener Tuberkulose und hatte das Krankenhaus nach der Geburt ihres Sohnes kommentarlos verlassen. Fünf Monate später war sie tot.
Im Krankenhaus kümmerten sich insgesamt sechs Schwestern abwechselnd um das Baby, bis im Frühsommer 1947 Bartschs spätere Mutter ins Krankenhaus kam. Allerdings war sie nicht auf der Suche nach einem Adoptivkind, sondern musste sich einer Unterleibsoperation unterziehen. Da sie nun keine Kinder mehr haben konnte, hatte sie sich mit ihrem dreiunddreißig Jahre alten Ehemann geeinigt, ein Kind zu adoptieren. Der kleine Karl-Heinz (später Jürgen) hatte auf der Babystation und beim Umhertragen durch dieSchwestern niedlich ausgesehen, sodass sie ihn auswählte: »Mein Goldkind«, nannte sie den kleinen Karl-Heinz damals. Im Alter von elf Monaten wurde Karl-Heinz Sadrozinski zu Jürgen Bartsch (formell wurde die Adoption allerdings erst 1952 bestätigt).
Der Charakter von Mutter Bartsch ist aus heutiger Sicht schwer einzuschätzen. Der damals gegen Bartsch ermittelnde Polizist Armin Mätzler beschrieb Frau Bartsch als »streng, liebevoll und behütend«, während Bartschs
Weitere Kostenlose Bücher