Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
Vom Netzwerk:
der Fall zu sein.“
    Fröhlich winkend fährt Kens ehemaliger Klassenkamerad eilig davon, weil seine Frau und die Kinder, mit denen er kürzlich in die Nachbarschaft gezogen ist, seit einer halben Stunde auf ihn warten. Na, der hat was zu erzählen, wenn er nach Hause kommt!
    Ich dusselige Kuh! Regungslos bleibe ich eine Weile im Auto sitzen. Mir dröhnt der Kopf. Ken, der Kurt heißt, ist also der Sohn von höchst lebendigen Eltern, die eine gut gehende Fleischerei auf dem Land, nicht in Hamburg-Barmbek, betreiben und fördernde Mitglieder der Konservativen sind. Die Geschichte vom armen Arbeiterjungen, der mit glänzenden Augen die Geschenke des wohlhabenden Onkels annahm, ist erstunken und erlogen! Aber wirkungsvoll.
    Wie hatte ich ihn und seinen angeblichen Aufstieg aus einfachsten Verhältnissen bewundert! In Wahrheit hatte offensichtlich nicht er, sondern sein Vater diesen Aufstieg aus eigener Kraft vollbracht. Ein dominanter Mann, aus dessen Schatten sich der Sohn nie lösen konnte. Jetzt will er es ihm auf seine Weise zeigen. Seine blasse Kindheit unter der Fuchtel eines übermächtigen Vaters und als Kleinster der Klasse ist der Motor, der ihn so hemmungslos antreibt. Wohin treibt es ihn noch?
    Ein lautes Piepsen erschrickt mich. Ich taste nach dem Handy in meiner Jackentasche. ‚Kurzmitteilung erhalten‘ blinkt auf dem Display. Ich drücke das Symbol. Der kurze Text, der daraufhin erscheint, verbannt alles, was mich eben beschäftigte, in den Hintergrund: ‚Komm! Er briengt mich um. Kis. Vic.‘
    Mit ‚er‘ kann sie nur Ken meinen. Ein Streit zwischen ihm und meiner kleinen Schwester, der offensichtlich ausartet! Mir fällt ein, was Sylvie über Kens Neigung zu Gewalttätigkeiten gesagt hat.
     
    Ich brause mit über hundert Sachen durch die Stadt, halte quietschenden Reifens vor unserem Grundstück und rase ins Haus. Beklemmende Stille. Ich trampele wie eine gehetzte Furie durch alle Räume. Reiße Türen auf. Die Zimmer sind leer. Niemand da!
    Vor Kens Arbeitszimmer klammere ich mich mit klopfendem Herzen an den Türrahmen. Ein chaotisches Bild. Auf dem Fußboden liegen überall Papiere, Briefe, Aktenordner, Stifte und Bücher verstreut. Anscheinend hat jemand den Inhalt des Schreibtischs und der Regale darüber mit einer Handbewegung auf den Boden gefegt. Der Kleiderschrank, in dem Ken seine Anzüge aufbewahrt, ist in ähnlichem Zustand. Sämtliche Jacketts und Hosen liegen von den Bügeln gerissen auf dem Teppich. Einbrecher?
    Wohl kaum, die übrigen Räume sehen normal aus. Nein, jemand hat gezielt etwas gesucht. Außerdem liegt Kens EC-Karte sichtbar unter dem Schreibtisch, die hätten Einbrecher garantiert mitgehen lassen. Normalerweise würde er sie bei sich tragen.
    Ich klettere über die Papierberge, hebe hier und da ein Blatt hoch. Sinnlose Übersprunghandlungen, weil ich nicht weiß, was ich als Nächstes tun soll. Nervös betaste ich die Kleidung. Klaube ein Sakko auf, hänge es über den Bügel, suche die dazugehörige Hose. Diese Tätigkeit hilft mir, meine durcheinander wirbelnden Gedanken zu sortieren.
    Etwas kleines Weißes kullert mir vor die Füße. Es lag neben einem Füllfederetui unter einer Hose. Ich nehme es in die Hand und drehe es zwischen den Fingern. Eine weiße Pille mit eingestanztem Schmetterling. Ecstasy? Vics verschwundene Ecstasypillen? Durchsuchte meine kleine Schwester Kens Arbeitszimmer, und er hat sie dabei erwischt? Angstschweiß läuft mir den Rücken runter.
    Ich fühle mich hilflos wie nie in meinem Leben. Wo sind die beiden? Ich möchte schreien. Kann aber nicht. Meine Zunge blockiert wie ein gelähmtes Stück Holz den ausgedörrten Mund.
    Ein letzter Sonnenstrahl bricht sich auf dem glänzenden Mahagoni der Möbel und fällt unter den Schreibtisch auf den Teppich. Die EC-Karte blitzt kurz auf. Merkwürdig! Ich gehe näher heran. Die Schriftzüge sehen fremd aus. Sie stammen nicht von unserer Bank. Hat Ken noch Konten bei anderen Banken, von denen ich nichts ahne? Seit heute würde mich das nicht mehr wundern. Ich hebe die EC-Karte auf, um sie im nächsten Augenblick wieder fallen zu lassen, als ob mich eine Schlange gebissen hätte. Ich gehe in die Knie und lese den auf der Karte eingestanzten Namen. Es darf nicht wahr sein! Wieder und wieder lese ich die Versalien, bis ich begreife ...
     
    Ich fahre durch die weihnachtlich geschmückte Stadt. Tränen laufen mir über die Wangen. Die Sonne ist verschwunden. Der Himmel ist plötzlich von einer milchigen

Weitere Kostenlose Bücher