Mordsschock (German Edition)
schwelgt geradezu in den Erinnerungen an die Ausführung seiner heimtückischen Pläne, sodass er seine Umgebung und die aktuelle Situation vergisst. Vielleicht weiß er auch nicht wirklich, was er mit mir machen soll. Eine tote Ehefrau durchkreuzt seine ehrgeizigen Pläne mit Sicherheit.
Aber ein Blick in seine Augen genügt. Keine Spur von dem poetischen Blau, das mich einst hypnotisierte. Dunkel und starr, ohne jede Regung fixieren sie einen Punkt in der Ferne.
Er ist wahnsinnig, bereit zu töten. Vic hat ihn durchschaut. Es gibt kein Zurück mehr. Er ist vernichtet, und er weiß das. Er wird uns mitnehmen!
Ehe er sich besinnt, bücke ich mich. Für einen winzigen Augenblick fürchte ich, die Eisenstange nicht schnell genug ergreifen zu können. Dann wäre alles verloren! Jede meiner Bewegungen scheint in Zeitlupe abzulaufen. Ich fasse auf den Boden. Erleichtert fühle ich das kühle Metall zwischen meinen Fingern und packe kräftig zu. Ich hole weit aus und ziele mit der Eisenstange auf Ken. Sie prallt gegen seinen Kopf.
Ein hässliches Knacken. Es schmerzt, dröhnt in mir, hallt in meinem Herzen. Ein unterdrückter Laut der Überraschung gurgelt aus Kens Mund. Er wankt, strauchelt und klatscht ins Wasser.
Einen Moment lang steht die Welt still. Keine Geräusche, kein Atmen, keine Bewegung. Alles ist gelähmt. Sand, Gras, Bäume und Steine sind unter einer weißen Haube begraben.
Zitternd sammle ich die Taschenlampe auf, die Ken bei seinem Sturz verloren hat, und leuchte ins Wasser. Über sein Gesicht läuft Blut. Ich habe seinen Schädel gespalten. Regungslos treibt er mit weit geöffneten Augen auf der Oberfläche. Zum letzten Mal starre ich in seine Augen. Ich gehe nicht in die Knie. Er ist tot! Es schneit nicht mehr.
Vic! Ich schwenke die Taschenlampe zur Pumpenanlage. Nur Vics Kopf, bedeckt mit einer Flockenschicht, ragt aus dem Wasser. Ihr Körper, der durch die Steine an Armen und Beinen nach unten gezogen wird, ist bereits eingeschlossen. Jede Minute wird das Wasser auch ihren Kopf überspülen. Dann ist meine kleine Schwester für immer verschwunden. Ich komme keine Sekunde zu früh.
Bis übers Kinn reicht das Wasser. Vics Augen sind geschlossen. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch lebt. Hat ihr Herz im kalten Wasser bereits aufgehört zu schlagen?
Ich schmeiße meine Jacke ans Ufer und wate mit zusammengebissenen Zähnen hinein. Mir bleibt die Luft weg, aber ich reiße mich zusammen. Es ist eisig. Wie durch eine Wand spüre ich Vics Arme und Beine, die mit kräftigen Stricken an den herausguckenden Röhren befestigt sind. Verzweifelt bemühe ich mich, ihre Fesseln zu lösen. Ohne Werkzeug gelingt es mir nicht. Zumal mir das eisige Wasser jede Kraft raubt. Das Blut stockt in den Adern. Nicht darauf achten!
Fieberhaft zermartere ich mir das Gehirn. Mir fällt ein, dass Ken in seiner Hosentasche stets ein Taschenmesser als männliches Attribut bei sich trägt. Dort drüben schwimmt er.
Ich paddle hin und halte den dahintreibenden Körper fest. Er ist federleicht ohne Saft und Kraft. Ich taste mich bis zu seinen Hosentaschen vor und ziehe das Taschenmesser heraus. Wie eine Trophäe schwenke ich es hoch über dem Kopf, während ich gegen die eisigen Wasserschwaden trete, um wieder zu Vic zu gelangen.
Ich klappe die Klinge aus und ritze mir in den Daumen. Es ist verdammt schwierig, in der Dunkelheit unter Wasser die Stricke zu zerschneiden, ohne Vic zu verletzen. Ich traue mich kaum, das Messer einzusetzen. Meine Hände ertasten ein dickes Strickende. Vorsichtig säbele ich es durch, dann das nächste und noch eins. Endlich ist sie frei. Ihr kleiner Körper bekommt Auftrieb.
Mit letzter Kraft schleppe ich sie an Land. Jetzt wiegt sie das Doppelte.
Vic ist leichenblass. Sie reagiert nicht.
Ich bette sie auf meine Jacke und lege mein Ohr an ihr Herz. Zunächst höre ich nur mein eigenes lautes Klopfen. Wenn sie tot ist, werde ich mir das nie verzeihen! Ich reibe ihre klammen Arme und Beine. Willenlos und fremd liegen sie neben ihrem zarten Körper. Ich drücke ihre weißen Lippen auseinander, öffne ihren Mund und hauche ihr meinen Atem ein. Meine zitternden Hände pumpen auf ihrem schmächtigen Brustkorb, wie ich es bei erster Hilfe im Fernsehen gesehen habe.
In meinen Ohren summen unaufhörlich zwei Worte „mea culpa, mea culpa, meine Schuld, meine Schuld ...“ Verzweifelt setze ich die Mund-zu-Mund-Beatmung fort. Und dann höre ich einen leisen, zaghaften Ton aus ihrer Herzgegend. Ein
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