Mordsschock (German Edition)
einsteckte.
Ich nickte neidlos.
„Aber das ist kein Wunder.“
„Wieso?“
„Na, wo sie doch Ihre Freundin ist! Und Sie sind noch netter und noch hübscher.“ Er sagte das, als bemerke er eben, dass es seit zwei Tagen nicht geregnet hatte. Kein bisschen platt. Ohne süßliche Schleimspur. Total normal und ungekünstelt.
Ich schaute in seine blauen Augen, die jetzt klar und ernst auf mir ruhten. Frei von dem sonst üblichen schalkhaften Ausdruck. So was von Blau, wie ein wolkenloser Himmel über einem Rapsfeld oder das glatte Meer an einem heißen Sommertag. Ich trank dieses Blau.
„Woran denken Sie?“ Ken Winter berührte sanft meine Hand. Zart wie der Hauch eines Schmetterlingsflügels. Als hätte ich nur geträumt. Aber seine Hand lag neben meiner. Größer, kräftiger, dunkler als meine. Nur die Finger mit den exakt gefeilten Nägeln waren kürzer, gedrungener.
„Ach, an gar nichts.“
„Ich schon!“
Mein Herzschlag verdoppelte sich. Poch, poch ... Ich meinte, alle im Café würden das laute Klopfen hören. Ich trank wieder das Blau.
Ken Winter schaute tief in meine Augen.
Schweigen.
Ich trank und trank. Bis mir schwindlig wurde.
„Hallo Ken, hier steckst du!“ Drei Frauen stürmten in das Café. Verflucht sei die gläserne Fassade des Marktcafés ! Ihr Stewardessen-Look identifizierte sie eindeutig als zur konservativen Partei gehörig. Ich erinnerte mich auch, sie bei von Stetten am Stand gesehen zu haben.
Unaufgefordert zogen sie sich Stühle vom Nachbartisch heran und ließen sich geräuschvoll bei uns nieder. Jede von ihnen bemühte sich, Winters männliche Aufmerksamkeit zu erregen. Das Café wirkte wie eine Kulisse, die alleine für sein privates Theaterstück geschaffen worden war.
Die Frauen gackerten, rissen die Augen weit auf, spitzten die rotgeschminkten Lippen und wackelten mit allen weichen Körperteilen. Sie bettelten um kleine Vertraulichkeiten.
Als Ken Winter zu der einen sagte „Ach, aber du machst einen ganz wunderbaren Auflauf“, lächelte die so verzückt, als wäre sie soeben von ihm mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden.
Die anderen Gäste guckten überrascht zu uns rüber. Die Männer sicherlich neidisch und bewundernd: ‚Was für ein Kerl!‘ Die Frauen neugierig und interessiert. Leise applaudierten diese fremden Leute ihm und seiner Kunst.
Und er? Er genoss die Aufmerksamkeit, als wäre sie selbstverständlich. Gleichzeitig amüsierte ihn der Balztanz der ‚Stewardessen‘. Verschwörerisch blinzelte er mir zu. Seine Lippen zuckten zum Schmunzeln und Scherzen, wie es die Rolle verlangte, aber seine Augen verschwanden für winzige Augenblicke in meinen. Tiefernst, als bäten sie mich um Verzeihung für diese Darbietung. Sie gaben mir das Gefühl, die heimliche Hauptrolle in seinem Stück zu spielen.
Ich zog den Vorhang und verließ das Theater.
Sonntagabend fuhr Lila zurück nach Hamburg. „Willst du diese gefährliche Geschichte mit dem Grundstück und den Toten weiter recherchieren?“, fragte sie und drückte mir als Abschiedsgeschenk einen Regenschirm in Moosgrün in die Hand, weil ihr bei ihrem Einkaufsbummel am Sonnabend nichts Besseres über den Weg gelaufen war.
„Ich brauche die Kohle!“
„Ich kann dich also nicht davon abhalten. Aber pass auf dich auf! Und nimm den das nächste Mal mit!“ Sie schwenkte den Schirm.
„Ja, Mama.“ Ich zog Rotze durch die Nase hoch, damit sie mir nicht in Form von Tränen in die Augen schoss. „Ich will eine Gehaltserhöhung für eine größere Wohnung. Und dann kann Vic endlich zu mir ziehen.“
„Denk dran, eine tote Schwester nützt ihr gar nichts!“
Kapitel 15
Eine dunkelblaue Limousine parkte am nächsten Morgen auf dem kleinen Hinterhof des Verlagsgebäudes. Zwei Herren mittleren Alters in zum Auto passenden dunkelblauen Anzügen mit Goldknöpfen und wohlfrisierten graubraunen Seitenscheiteln besuchten Wagner. Sie waren gekommen, um all unsere Träume zu zerstören.
„Das sind ganz hohe Tiere von der Geschäftsleitung aus Flamstadt“, flüsterte die Riechling mir auf dem Flur zu. Sie ging im ockerfarbenen Kostüm in Wagners Büro, um den Herren Kaffee und Schnittchen zu servieren.
In Flamstadt saß die Zentralausgabe unserer Zeitung, sozusagen ‚Big Mama‘. Dort wurde auch der ‚Mantel‘ mit allen überregionalen Nachrichten produziert. Und all die feinen Herrschaften, die da residierten, gaben uns solche Anweisungen, wie etwa im oberen Drittel der Seiten nur
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