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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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hineinfraßen, ohne daran zu ersticken. Und ersticken – nein, diesen Triumph gönnte ich meinem Feind nicht!
    Lila sagte sofort alle Verabredungen für das Wochenende ab und stand Freitagabend mit gepackter Tasche vor meiner Wohnungstür.
    Ich weinte geschlagene zwei Stunden in ihren Armen, brauchte drei Packungen Taschentücher auf und rauchte einen Aschenbecher voll.
    „Ich habe Schnupfen“, meinte ich kläglich, als meine Tränen versiegten, und schnäuzte mich lautstark.
    „Weißt du was? Wir gehen tanzen!“ Lila pappte auf dem Ledersofa inmitten von einem Stillleben aus zerknüllten Taschentüchern, Zigarettenkippen, leeren Gläsern und guckte mich forsch an.
    Manchmal tut es gut, eine Freundin mit den hirnverbranntesten Ideen zu haben. Also fetzten wir in der einzigen Disco Rosenhagens im Neonlicht los. Ich tanzte mir die Ängste und die Wut aus dem Bauch. In dieser Nacht schreckte ich nicht wie sonst schweißgebadet hoch, weil ich geträumt hatte, mein Angreifer erschlüge mich mit einem Felsbrocken.
    Zwei Tage waren seit meinem Abenteuer verstrichen. Unbewusst grübelte ich, wo ich ging und stand, wer mir nach dem Leben trachtete. Existierte ein Zusammenhang zwischen der seltsamen E-Mail, die ich bekommen hatte, und Christine Rieckens schrecklichem Ende? Glaubte der Angreifer, ich würde den Inhalt der gelöschten Internetseite kennen und damit etwas wissen, was ihn gewaltig störte?
    Auf jeden Fall handelte es sich um jemanden, der über die Grundstücksverteilung am Gottesanger Bescheid wusste, sonst hätte er mich nicht mit dieser Andeutung zum Grab des Nicolaus von Bernfried locken können.
     
    Beim Frühstück am nächsten Morgen saßen wir vor einer richtigen heilen Rama-Welt aus Brötchen, Nutella, Müsli, Kaffee und Orangensaft. Die Sonne inszenierte den milchigen Schleier meiner ungeputzten Fensterscheiben. Sie brachte nicht nur die Staubflocken auf den Möbeln und Oscars Pipiflecken auf dem Teppichboden – das Katzenklo lehnte er kategorisch ab – zum Vorschein, sondern auch meine gute Laune. Kurzzeitig hakte ich meine Gefangenschaft im Eiskeller als Albtraum ab.
    „Willst du in dieser Stadt bleiben?“ Lila biss kraftvoll in ein Nutellabrötchen.
    „Neee!“
    „Komm zurück! Ich frage mal, ob du bei uns im Restaurant arbeiten kannst.“ Lila war Kellnerin. Sie liebte ihren Beruf nicht übermäßig, hatte aber gerne mit verschiedenen Leuten zu tun.
    „Für mich ist das nichts.“
    Wir grinsten, als wir an meine kläglichen Aushilfskellnerinnenversuche nach der Schule dachten.
    „Nicht, dass du dem Dicken nur Wein über den Anzug gegossen hättest. Nein, du kipptest den teuren 94-er Chardonnay, von dem es nur eine Flasche gab, aus. Und ausgerechnet auf den hellen Anzug“, prustete Lila.
    „Hör bloß auf!“
    „Aber das Beste war sein Gesicht, als du wie ein verschrecktes Huhn um ihn rumgeflattert bist und versucht hast, mit den Servietten den Wein von seinem Anzug zu wischen. Aus Eifer hast du sein Toupet vom Kopf gefegt.“
    „Ich bin hintergehakt.“
    „Mann, war der wütend! Oder weißt du noch – dieser Essenstester vom Gastro-Magazin? Vor lauter Aufregung hast du ihm den Kinderteller vom Nachbartisch serviert.“ Lila hüllte ihr Brötchen aus. Die weißen Klumpen klebte sie anschließend zu einem großen Kloß zusammen, den sie in den Kaffee tunkte. Eine der komischen Lila-Angewohnheiten.
     
    Mittags bummelten wir über den Marktplatz. Wie jeden Samstag hatten die Marktbeschicker ihre bunten Buden aufgebaut. Der Gemüsemann jonglierte mit Äpfeln, während seine Frau ein Kilo Kartoffeln abwog, der Fischhöker hieb einem frischen Hecht mit dem Beil den Kopf ab, der Türke verteilte Schafskäsehäppchen zum Probieren, und die Bäckerin füllte fetttriefende Krapfen in fetttriefende Papiertüten.
    Die Sonne lockte eifrige Käufer aus den wind- und regengeschützten Supermärkten ins Freie. Mit Körben überm Arm und Kindern an der Hand, drängelten sie sich vor den Ständen, als ließe sich die Qualität der Waren an der Einkaufsgeschwindigkeit messen.
    Die konservative Partei hatte zwischen Eiermann und Blumenfrau einen Infostand aufgebaut. Von Stetten lehnte lässig an der Balustrade, umgeben von einem reizenden Damenflor seiner Parteikolleginnen. Braungebrannt, im legeren Jeanshemd, das er mit einer Krawatte aufgepeppt hatte, wirkte er mit seinen blonden Haaren ein bisschen wie Robert Redford von nebenan.
    Ältere Damen blinzelten verzückt, wenn er mit ihnen sprach, junge

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