Morganas Wölfe
Gedanke irrlichterte durch seinen Kopf. Amalfi hatte ihn noch nicht beendet, als er zu Eis wurde.
Genau vor ihm hatte sich der Schatten gedreht und starrte ihn an.
Seltsam und ungewöhnlich klar, trotz des Nebels. Zwei ›Lichter‹ im Nebel.
Augen! Gelbe Augen!
Die Augen eines Raubtiers!
***
Don Amalfi wußte, daß er seine Chance verpaßt hatte. Wenn er jetzt einen Fluchtversuch unternahm, würde es zu spät sein, und deshalb blieb er stehen, auch wenn er es eigentlich nicht wollte und am liebsten verschwunden wäre.
Vor ihm stand jemand. Er glotzte ihn an. Trotz des Nebels kamen ihm die verdammten Augen geschliffen scharf vor. Sie transportierten eine böse Botschaft, sie waren furchtbar, sie waren für ihn wie kalte Fenster zu einer Welt des Schreckens.
Ein Tier?
Ja, aber welches?
Die Fragen schwirrten durch seinen Kopf. Sie verdeckten für einen Moment die Angst. Das… das… kann doch kein Hund sein, dachte er.
Hunde sind anders, Schäferhunde oder…
Die Überlegungen bekamen einen Bruch. Plötzlich dachte er ganz anders darüber. Natürlich, das konnte ein Hund sein. Es gab ja nicht nur die normalen. Schließlich war es bei einigen Typen in Mode gekommen, sich Kampfhunde zu halten.
Der Gedanke daran wühlte sich tief in seinen Magen. Er kam sich vor, als wäre dort jemand dabei, ihn aufzurühren, denn gegen die auf den Mann dressierten Kampfhunde hatten waffenlose Menschen keine Chance. Nicht mit den Fäusten, da war der Zweibeiner immer unterlegen. Amalfi dachte daran, daß er eine Waffe bei sich trug. Ein Stilett. Er konnte es hervorziehen, die Klinge herausschnellen lassen, aber was würde das bringen?
Nichts. Der Kampfhund war bestimmt auf gewisse Situationen trainiert.
Bei der geringsten falschen Bewegung würde er reagieren und ihn anspringen, um seine Kehle zu zerfetzen.
Deshalb ließ er es bleiben.
Der Hund wartete. Er bewegte sich nicht, aber hinter ihm sah Amalfi die Schatten. Sie schafften es tatsächlich, sich lautlos durch den Dunst zu bewegen, sie schwammen dahin.
Amalfi stockte der Atem. Er hatte die Schatten nicht gezählt. Er sah schwach die kalten Augen, wie ein mattes Funkeln im Nebel. Sie waren da, und sie hatten ihn eingekreist.
Er zitterte plötzlich. Dann schielte er nach rechts, denn die Schatten waren dabei, sich der Hintertür zu nähern. Und was das bedeutete, wußte Amalfi genau.
Sie würden in den Bau eindringen und dort ein Blutbad anrichten.
Amalfi war kein frommer Mensch. Ein Egoist wie Phil Butcher. Ihnen ging es darum, immer ihren dicken Vorteil aus einem Geschäft zu ziehen, auch wenn sie sich dabei auf einem dünnen Draht bewegten, von dem sie manchmal kippten und jenseits der Gesetze arbeiteten.
Aber er konnte nicht zulassen, daß die Kampfhunde den Bau stürmten.
Es war ein Ding der Unmöglichkeit.
Nie hätte er damit gerechnet, daß die Konkurrenz zu derartigen Mitteln greifen würde. Die Bestien waren schlimmer als Kugeln. Er wollte weg!
Noch belauerte man ihn, aber die anderen Schatten näherten sich bereits der Tür.
Amalfi sprang zur Seite. Er hoffte, schnell genug gewesen zu sein, und er hatte mit keiner Bewegung seine Aktion angezeigt. Trotzdem war er zu langsam!
Der Hund oder wer immer es war, sprang aus dem Stand. Und er war so schnell, daß Don nicht ausweichen konnte. Der verdammte Körper wuchs riesig vor ihm hoch, auch der Griff nach dem Stilett gelang Don Amalfi nicht mehr.
Pranken schlugen zu. Er spürte einen heißen Atem über sein Gesicht wehen. Amalfi sank in die Knie, sein Kopf fiel zurück, und er prallte gegen die Mauer.
Vor ihm tanzten Sterne, oder waren es die gelben Augen der Bestie? Die Mülltonnen schepperten, als er gegen sie prallte, und dann sah er plötzlich etwas, das ihm wie ein Traum vorkam. Nur für die Dauer von höchstens zwei, drei Sekunden, aber dieses Bild prägte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis ein.
Durch den Nebel bewegte sich eine Gestalt. Es war kein Vierbeiner, sondern jemand auf zwei Beinen, ein Mensch – eine Frau!
Eine schöne Frau mit langen Haaren und dunkel gekleidet. Ein bleiches Gesicht, kalte Augen, wie bei einem Raubtier, zu vergleichen mit denen der Wölfe.
Die Frau schaute auf ihn nieder, dann nickte sie.
Das Tier reagierte.
Warum ist mein Hals plötzlich so naß? Warum die Schmerzen? Warum die dichte Dunkelheit, dicht wie nie… nie… nie…
Amalfis Gedanken brachen ab. Er konnte weder denken noch reden, der Tod war schneller. Und die Wölfe hatten freie
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