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Morgen ist ein neuer Tag

Morgen ist ein neuer Tag

Titel: Morgen ist ein neuer Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schon drei Monate? Ich weiß, du sehnst dich nach mir, und ich … ach, laß mich nicht darüber sprechen …«
    Er legte den Brief in seine Brieftasche, die er aus dem Rock zog. Da erst merkte er, daß es brandig im Zimmer roch, daß aus einer Ecke Rauchschwaden heranzogen … »Die Bratkartoffeln!« rief er und rannte zu dem elektrischen Kocher. Mit einer Gabel stocherte er die festgebrannten Kartoffeln von der Pfanne los, sortierte sie aus und warf sie in den Abfalleimer. Den Rest aß er, zusammen mit dem Brathering. Ein tolles Mahl war das gerade nicht, aber Fritz mußte nur an Rußland denken, um sich sofort wie im besten und teuersten Feinschmeckerlokal Frankreichs vorzukommen.
    Während er aß und in seine alte Angewohnheit verfiel, dabei den Kopf in die Zeitung zu stecken, kehrten seine Gedanken immer wieder zu Lina zurück. Sein Gehirn nahm sachte auf, was die Augen in Gedanken abtasteten, – es las nicht wirklich, es dachte an zwei Lippen, die er so lange nicht mehr geküßt hatte, und an zwei weiche Arme, die ihn so lieb umfangen konnten und ihn an einen heißen, bebenden Körper drückten …
    Er warf die Zeitung weg und stand auf. Mit gesenktem Kopf stand er am offenen Fenster und ließ sich den Frühlingswind, der draußen angenehm warm durch die Straßen strich, um die Haare wehen, die viel zu langsam nachwuchsen.
    Ich weiß, ich halte das nicht lange aus, gestand er sich ein. Zwölf Jahre lang keine Frau … und jetzt ist man daheim und muß weiter so leben, als sei man abgeschlossen von der Welt. Dort, dort unten auf der Straße, da gehen sie … Verliebte, Arm in Arm, sie werden einander zu einem Park führen oder zu den Wiesen der Emscher, sie werden sich küssen mit all der Glut der Jugend und des Frühlings, und sie werden die Welt um sich vergessen und einander ganz gehören in einem Taumel grenzenlosen Glücks und süßer Erfüllung …
    Stöhnend wandte er den Kopf zur Seite und lehnte die heiße Stirn an die kühle Scheibe.
    Hart sein, schrie es in ihm. Hart sein. Nicht dem Gefühl nachgeben, da es heißt, dem nüchternen Geist Vorrang zu geben. Nur eine Nacht in den Armen Linas, nur einmal hineingetaumelt in das ersehnte Glück … und du stehst ärmer da als je zuvor, vernichtet durch die eigene Hand, durch eine Leidenschaft, deren Folgen du kanntest.
    Er ging ins Zimmer zurück und legte sich angezogen aufs Bett. Über ihm, an der Wand, war mit einer Heftzwecke das Bild Linas in Postkartengröße, wie sie die Straßenfotografen anfertigten, an der Tapete befestigt. Es war das gleiche Bild, das ihn durch die Gefangenschaft begleitet hatte und um das er bei jeder Leibesvisitation mit den Posten und dem Genossen Kommissar gekämpft hatte.
    Fritz Bergschulte schloß die Augen. Morgen ist wieder ein Tag. Sechs Uhr aufstehen, um sieben an der Baustelle, um zehn Uhr Frühstück, um zwölf Uhr das Mittagsmahl aus dem Henkelmann, um sechs Uhr Feierabend. Ein sturer, eintöniger Rhythmus des Lebens, der am Freitag jeder Woche einen Höhepunkt in Gestalt einer vollen Lohntüte erfuhr. Und jeden Freitag ging es dann auch so weiter: Er stand nach der Mittagspause, in der er den Lohn austeilte, vor dem Einzahlungsschalter der Dortmunder Sparkasse und zahlte auf ein Sparbuch einen großen Teil des Lohnes ein. Miete, Essen, Kino, Bücherausleihen, Zeitungen, ab und zu ein Bier … das wurde alles am Monatsersten im voraus kalkuliert, und alles Geld, das übrig blieb, wanderte auf das Sparbuch. Und das durfte kein Ende nehmen, Monat um Monat, bis Geld genug vorhanden sein würde, um wieder ein Häuschen bauen, neue Möbel anschaffen und Lina glücklich machen zu können. Ja, und da war ganz tief im Herzen noch ein Wunsch, den Fritz Bergschulte nie laut auszusprechen wagte, den er als Geheimnis wahrte, an den er aber immer dachte, wenn er das Bild über seinem Bett ansah. Peter wird ein Schwesterchen haben, hoffte er dann zaghaft. Oder ein Brüderchen … das ist ja egal. Aber mit meinem neuen Leben soll auch ein anderes neues Leben hinaus in die Welt gehen. Wie eine Wiedergeburt soll es werden, wie ein vergessener Baum, dessen öder Stamm plötzlich frische Triebe zeigt und emporwächst zu neuer Kraft und blühender Schönheit.
    Die Dämmerung brach herein und ließ die Möbel unwirklich und schemenhaft erscheinen. Die Gardine, die vor dem offenen Fenster flatterte, war wie ein großes Tuch, das ein Winkender in der anwachsenden Dunkelheit schwang. Willkommen, konnte das heißen. Oder: Auf

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