Morgen ist ein neuer Tag
mußte Ihnen doch klar sein, daß der Schwindel eines Tages auffliegt?«
»Wieso? Der wäre nicht aufgeflogen, wenn Bergschulte nicht zurückgekommen wäre.«
»Er kam aber zurück!«
»Als ich ihn im Lager verließ, war er so schwach, daß ihm keiner mehr eine Überlebenschance gab.«
»Aha, Sie erhofften sich also sein Ende. Anders kann man das doch nicht sehen.«
Das klang sehr verächtlich, so daß Korngold, der längst über die Schwelle, sich zu schämen, hinaus war, aufbrauste und erwiderte: »Ich bin nicht hier, um mich moralisch zu rechtfertigen. Sie sind Anwalt und kein Priester. Entweder übernehmen Sie meine Vertretung oder nicht. Wenn Sie sie übernehmen, haben Sie die Pflicht, alles zu tun, um meine Sache durchzufechten bis zum Sieg. Verstanden!«
»Und was wäre für Sie der Sieg?«
»Die Erhaltung meiner Ehe.«
»Dazu muß aber Ihr Gegner ausgeschaltet werden.«
»Keiner kann mir den Brief nachweisen«, erwiderte finster Korngold, nun sein wahres Gesicht in letzter Konsequenz zeigend, »im Gegenteil, ich werde sogar beschwören, daß Bergschulte mir auftrug, seiner Frau seinen Tod zu melden, damit er von ihr loskommt. Er hätte sie längst satt gehabt, werde ich beteuern. Soll er selbst ruhig nun etwas anderes behaupten, dann steht eben Behauptung gegen Behauptung und es kommt darauf an, wer den besseren Anwalt hat. Ich möchte meinen, ich, denn ich kann mir den besseren Mann leisten, während er über keinen Pfennig verfügt. Das ist doch immer das Entscheidende, Geld regiert die Welt, auch im Gerichtssaal …«
Korngold grinste dreckig und schloß mit der Frage: »Also wie wär's mit Ihnen, Herr Rechtsanwalt? Setzen Sie Ihr Honorar an, so hoch Sie wollen, ich werde es bezahlen.«
Du Schwein, dachte Dr. Schrader. Du fieses Schwein! Du sollst dich in die Finger geschnitten haben! Dein Pech, daß du ausgerechnet an mich geraten bist!
»Was ist?« fragte Korngold, als eine gewisse Zeit verstrich, in der Dr. Schrader schwieg. »Wollen Sie nicht?«
»Ich muß mir das noch überlegen«, entgegnete der Anwalt. »Auf alle Fälle verspreche ich Ihnen, daß ich Ihnen, falls ich es nicht selbst machen werde, einen tüchtigen Kollegen besorge.«
Den Abschied gestaltete er so, daß er Korngold nicht die Hand reichen mußte.
In der folgenden Nacht schlief Dr. Schrader schlecht. Er wälzte sich ruhelos auf seinem Lager umher, bis auch seine Frau davon wach wurde, Licht machte und ihn fragte: »Was hast du? Ist dir nicht gut?«
Daraufhin erzählte er ihr alles. Sie hörte ihm zu, wurde blaß und blasser und rief zuletzt in hellem Entsetzen aus: »Arnulf, dein Beruf ist im Eimer!«
»Wenn publik wird, was ich getan habe, ohne jeden Zweifel, Gertrud.«
»Wie konntest du nur, Arnulf!«
Sie fing an zu weinen und stieß hervor: »Das darf nicht sein! Wovon sollen wir leben? Du mußt dich sofort aus der ganzen Sache zurückziehen! Teile das auch deinem Bergschulte mit!«
»Und wer soll ihm zu seinem Recht verhelfen?«
»Nicht du!«
»Aber gerade ich wäre doch jetzt dazu in der Lage. Nicht als Anwalt, sondern als Zeuge. Mir hat ja der Kerl alles eingestanden.«
»Muß ich dich noch einmal fragen, wer uns ernähren soll? Erwartest du das von mir?«
»Nein«, versicherte er ihr, »das tue ich nicht.« Und ironisch fügte er hinzu: »Eher bleibt mir das Recht auf der Strecke …«
Am nächsten Morgen verabredete er sich mit seinem Kollegen Dr. Penzolt, den er nach zwei Stunden endlich dazu überreden konnte, die Vertretung Korngolds zu übernehmen und dessen üble Sache mit viel Überwindung und Anstand zu Ende zu führen.
»Nach allem, was Sie mir nun erzählt haben, stehe ich auf verlorenem Posten«, sagte Dr. Penzolt.
»Betrübt Sie das?« fragte ihn Kollege Schrader.
»Nein, betrüben würde mich ein Sieg in dieser Sache. Aber wie ist denn das mit Ihnen? Sie sind sich doch im klaren darüber, in welcher Situation Sie sich befinden?«
Dr. Schrader seufzte.
»Meine Frau«, sagte er, »erwägt die Trennung von mir.«
»Hat sie Ihnen das schon angekündigt?«
»Mehr oder minder ja.«
»Ich würde Ihre Frau verstehen. Aber Sie verstehe ich nicht. Was haben Sie davon, Herr Kollege, wenn Sie Ihrem Mandanten seine Frau verschaffen und die eigene verlieren?«
Noch einmal seufzend sagte Dr. Schrader: »Herr Kollege, wie lautet ein berühmtes einschlägiges Wort der alten Römer: ›Fiat justitia pereat mundus! Es sei Gerechtigkeit, und wenn die Welt untergeht!‹ In einer solchen Situation sehe
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