Morgen komm ich später rein
Warum gehen wir immer noch jeden Tag ins Büro? Verschwenden
acht, neun oder mehr Stunden unserer Lebenszeit mit Monotonie, |18| Missmanagement und zickigen Kollegen in deprimierenden Räumen? Wir sitzen alle zu viel vor dem Monitor. Der Job frisst unsere
Freizeit auf, obwohl wir wissen, dass uns die besten Ideen meist nicht bei der Arbeit kommen. Zwischen Meetings, Deadlines
und purem Abwarten, bis der Chef Feierabend macht, haben viele Menschen das Gefühl, sie hätten in vier oder fünf Stunden effizienter,
selbstbestimmter Zeit genauso viel leisten können. Und sie haben Recht.
Ich bin seit zwölf Jahren Journalist. Meine Erfahrungen als Freiberufler und Festangestellter zeigen mir immer wieder ein
fundamentales Dilemma: Selbstständige arbeiten meist effizienter, haben mehr Freiheit, mehr Spaß, manchmal sogar mehr Geld.
Bloß keine klassische Karriere. Sie lässt sich nur innerhalb von Unternehmen machen, doch wählt man diesen Weg, ist man sofort
wieder in allen oben beschriebenen Ärgernissen des Büroalltags gefangen. Gespräche mit erfolgreichen aber notorisch unzufriedenen
Freunden und Bekannten bestätigen den Befund. Es muss einen Mittelweg zwischen beiden Extremen geben.
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Kurz vorweg: Drei Geschichten aus der Easy Economy
Wenn Uwe Schimanski einen Anruf seiner Kollegen bekommt, muss er manchmal eine Hand vom Steuer seines Segelboots nehmen. Der
Mitarbeiter der deutschen IBM ist leidenschaftlicher Segler und verlegt seinen Arbeitsplatz regelmäßig auf schwankende Planken.
»Durch den Freiheitsgrad meiner Arbeit kann ich mich irgendwo hinbewegen, wo mein Bötchen gerade liegt«, erzählt er, »zu einem
Zeitpunkt, wenn nicht die Autobahn gerade zu ist. Und dann kann ich von meinem Boot aus arbeiten, bis das Wochenende beginnt.«
Auch für Arztbesuche hetzt sich der 55-Jährige nicht vor Dienstbeginn ab oder muss sich eigens freinehmen: Derartige private
Termine und Erledigungen plant er ganz entspannt, zu einem Zeitpunkt, wenn er wenig Zeit dafür aufwenden muss. Und wenn er
morgens hört, dass zur Rush-Hour mal wieder viel Verkehr ist, fährt er einfach ein paar Stunden später zur Arbeit, »statt
im Stau unnötig Zeit |19| und Benzin zu verbrauchen«. Kurz: Er teilt sich seine Anwesenheit im Büro so ein, »dass ich möglichst produktiv bin unter
bester Ausnutzung der Ressourcen. Und die Familie hat auch noch was davon.« Dieser scheinbar luxuriöse, für Uwe Schimanski
aber ganz normale Arbeitsrhythmus macht ihn zu einem hocheffizienten und gleichzeitig extrem entspannten Mitarbeiter. Die
Kehrseite der Medaille: Wenn er Urlaub hat, muss er auch erreichbar sein. Für ihn haben erst schnelles Internet, Handys mit
E-Mail-Funktion und ein flexibles Arbeitsverständnis seines Unternehmens diese Emanzipation vom Büro möglich gemacht: »Die
technischen Gegebenheiten hält keiner auf. Wer sie bewusst für sich einsetzt, kann nur gewinnen.«
Mark Wells aus Minneapolis ist ein Riesenfan der Dave Matthews Band, einer Rock-Formation, die bekannt ist für großartige
Live-Auftritte. Darum hat er schon immer versucht, seine Helden so oft wie möglich auf der Bühne zu sehen. Aber weil die Band
ständig durch die USA tourt, war das früher fast unmöglich, denn Wells arbeitet in der Zentrale der größten amerikanischen
Elektronikmarktkette Best Buy. Er entwickelt Online-Schulungen für Verkäufer in den Filialen, saß also den ganzen Tag am Computer.
Dass er diese Arbeit im Grunde von überall aus machen konnte, änderte nichts an der Tatsache, dass er jeden Tag ins Büro musste.
Doch eine Arbeitszeitrevolution namens ROWE, von der später noch zu lesen sein wird, hat sein Leben komplett umgekrempelt:
Nun reist er seiner Lieblingsband quasi permanent hinterher, obwohl er genauso festangestellt ist wie zuvor. Seine Arbeit
erledigt er per Laptop, seinen Schreibtisch in der Firmenzentrale sieht er fast gar nicht mehr.
Die Dänin Camilla Kring, eine Ingenieurin, die ihre Doktorarbeit über Work-Life-Balance geschrieben hat, war es gewohnt, als
faul bezeichnet zu werden, weil sie morgens wenig zustande bekommt. Dann fand sie heraus, dass Wissenschaftler die Menschen
in A- und B-Typen einteilen – erstere sind Frühaufsteher, letztere Morgenmuffel. Kring identifizierte sich eindeutig als B-Typ,
sah die gesellschaftliche Tragweite ihres scheinbar persönlichen Problems und gründete die »B-Society«, um für die Rechte
der
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