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Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Titel: Morgen wirst Du frei sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Martini
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ausgelacht und an den Pranger gestellt werden will.« Sie kicherte. »Nächstes Mal. Nächstes Wochenende«, flüsterte sie in mein Ohr. »Dann bleibe ich zum Frühstück.«
    Sie drängte sich an mich, ließ mich ihren schlanken, biegsamen Körper spüren. Meinen spürte ich auch, überdeutlich. Mein Mund wurde trocken, in meinen Ohren rauschte es. Schweiß perlte auf meiner Stirn. Ich nickte.
    Jessica lächelte.
     
    Ich sah ihr zu, wie sie in den Zug stieg. Sie stand an der Tür, winkte mir zu. In meinem Bauch kribbelte es so stark, dass ich lachen musste und die Hand auf die Stelle legte. Der Zug setzte sich in Bewegung.
    Die Vorfreude auf den nächsten Morgen, an die Begrüßung, bei der ich ihr mit den Fingern am Nacken nach oben durch die Haare gleiten und ihre nach Kaffee schmeckenden Lippen küssen würde, ließ mich zum Auto rennen. Die Energie, die ich in mir spürte, schien mich anzuheben, über meine Sorgen und Geheimnisse davonschweben zu lassen.
     
    »Nettes Mädel. Sehr offen. Und extrem klug«, urteilte Thea, als ich zurück war. »Ich mag sie.«
    »Mhm.« Ich warf mich in den Sessel, schaute auf den Fernseher, ohne wahrzunehmen, was ich da sah.
    »Was ist los? Freut dich das nicht? Ich meine, es könnte ja auch anders sein.«
    Ich hätte gern den Mut aufgebracht, offensiv zu fragen, welche Konsequenzen es für mich haben würde, wenn Jessica bei Thea durchfiele. Doch ich wollte keine Diskussion auslösen, die diese Saite in Thea zum Klingen brächte, die mir Angst machte.
    »Wann kommt sie wieder?«, fragte sie.
    »Weiß nicht. Am Wochenende.«
    »Gut. Ich backe Kuchen.«
     
    Am Montag trafen wir uns am Hauptbahnhof, tranken Latte macchiato, teilten uns eine Butterbreze am Stehimbiss und gingen Jessicas Vortrag durch. Wir stiegen in die U-Bahn, rannten Hand in Hand die Stufen zum Vorlesungssaal hinauf, schlüpften kurz nach dem Professor in den Raum. Kichernd wie zwei Teenager plumpsten wir auf die Klappsitze und suchten, kaum sitzend, schon wieder Körperkontakt.
    Das Referat war ein Erfolg; der sonst so kritische Dozent zwar zufrieden und hatte nur wenig auszusetzen. Wie vereinbart, brachte ich mit einigen Fragen die Diskussion in Gang, die Jessica souverän moderierte.
    Nach dem Mittagessen trennten wir uns. Ich hatte meinen Job anzutreten, Jessica ihr erstes Seminar für Erstsemester zu leiten.
    Wir verabredeten uns für den folgenden Morgen, umarmten und küssten uns und versprachen uns, am Abend zu telefonieren, wenn wir beide im Bett lagen.
     

9. Kapitel
     
    Jessica hatte nicht angerufen, war nicht erreichbar und erschien am Dienstagmorgen nicht wie vereinbart. Weder an unserem Treffpunkt noch in der Uni. Sie kam auch am Mittwoch und Donnerstag nicht.
    Ich rief unzählige Male ihr Handy an. Es meldete sich nur die Mailbox. Ich telefonierte alle Krankenhäuser ab und die Polizeidienststellen.
     
    Völlig aufgelöst fuhr ich mehrmals mit der S-Bahn ins Westend zu Jessicas Wohngemeinschaft, klingelte Sturm, donnerte mit der Faust an die Türe. Am Freitag öffnete endlich jemand.
    Ich brüllte Jessicas verschlafene Mitbewohnerin an, die zurückzuckte, als hätte ich sie geschlagen. »Was heißt, woher soll ich wissen, wo sie ist? Wer soll es denn wissen, wenn nicht du? Sie ist seit Tagen verschwunden, und dir ist das total egal? Was bist du denn für eine Scheißfreundin?«
    Ich zerrte sie in Jessicas Zimmer und zwang sie, sich alles genau anzusehen. »Fehlt was? Sophie! Schau dich um, glotz mich nicht so blöd an! Kann sie verreist sein? Bei ihren Eltern? Wo wohnen die? Ist sie abgehauen? Gibt es einen Typen? Oder irgendwas, was auch immer, was los sein könnte? Hat sie Probleme? Wollte jemand was von ihr? Hatte sie Angst, als du sie zuletzt gesehen hast? Verdammt, jede Kleinigkeit ist wichtig, also mach endlich den Mund auf!«
    Ich schüttelte sie, begriff dann plötzlich, dass ich dabei war, die Kontrolle zu verlieren. »Tut mir leid, Sophie«, entschuldigte ich mich kleinlaut.
    Sie riss sich los, schlug mir ins Gesicht. »Du Wichser, du Arschloch! Du hast sie doch nicht mehr alle!«, kreischte sie, rannte über den Flur und verschwand in ihrem Zimmer. Ich hörte den Schlüssel im Schloss. »Verpiss dich, sonst hole ich die Bullen!«
    Im Treppenhaus sank ich auf die Stufen, legte das Gesicht in die Hände und weinte bitterlich. Jessica, die erste Liebe meines Lebens, war weg. Einfach so.
     
    Ich stand jeden Tag im Polizeirevier, bat und bettelte darum, dass man nach Jessica suchen möge.

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