Morgenrötes Krieger
behandelte sie mit Geduld und viel Zärtlichkeit, auf die sie unmittelbar und leidenschaftlich reagierte. Usteyin konnte nicht auf Mögliches oder Späteres ihr Leben aufbauen. Sie lebte hier und jetzt, alles geschah und erfüllte sich im gegenwärtigen Moment – andere Zeiten waren eben andere Zeiten. Auch das sexuelle Vorspiel gehörte offensichtlich zu jenen Dingen, von denen sie keine Ahnung hatte. Für sie bestand es aus wenigen flüchtigen Gesten – dann kam sie zur Sache. Das Motiv lag nicht in einem eigennützigen Lustgewinn, sondern in der Furcht, es könnte das letzte Mal sein; und so mußte es unmittelbar bis zur Neige erlebt und ausgeschöpft werden. Han dachte hinterher, als sie eng beieinander lagen, daß sie noch eine Menge zu lernen hätte und daß er froh und glücklich war, ihr Lehrer sein zu dürfen.
Zuerst wollte sie in ihre Ecke zurückkehren, wo sie ihre Schlafstelle hatte; aber Han hinderte sie sanft, indem er sie aufforderte, dort zu bleiben, wo sie war – dicht bei ihm. Wortlos kuschelte sie sich an ihn, wobei es schien, als ob die Dunkelheit um sie herum aus einem inneren Glücksgefühl heraus erhellt wurde. All das überstieg bei weitem seine kühnsten Träume und Vorstellungen. Als er seine Schulter drehte, um ihr Platz zu machen, durchzuckte es ihn schmerzhaft-lustvoll. Trotz ihres zierlichen und zerbrechlichen Aussehens war sie in intimer Umarmung stürmisch und stark. Auf dem Höhepunkt der Erregung spannten sich ihre Muskeln wie heiße Drähte – und sie biß zu. Überall auf Nacken und Schultern spürte er bisher unbekannte Male der Zärtlichkeit. Ja, richtig, auch das stand in den Instruktionen: Zlats waren leidenschaftlich.
Als er aufwachte, war es dunkel – spät in der Nacht, eine der langen Winternächte auf Morgenröte. Die Lampe brannte noch, und unter ihr saß Usteyin und ordnete ihr Haar. Sie hockte in ihrer Ecke, die Decke um die Beine geschlagen; das Lampenlicht warf goldene Vierecke auf ihre Haut und glitzerte wie Funkenfeuer in ihrem Haar. Sie bemerkte augenblicklich, daß er erwacht war, und schaute erwartungsvoll in seine Richtung; dann senkte sie den Blick in einer schüchternen, unterwürfigen Bewegung, die er schon vorher an ihr bemerkt hatte. Jetzt aber wußte er, was sie bedeutete.
Mit weicher Stimme sagte sie: „Du und ich – wir beide müssen dies öfter machen – sooft wir können. Ich habe Angst, daß sie uns trennen. Ich erwarte so etwas. Ich wünschte, daß es immer so bliebe.“
Han beobachtete sie lange, ohne ein Wort zu sprechen. Er empfand dasselbe – erklären konnte er es nicht; was es auch immer sein mochte, dieses Mädchen dort war für ihn das Kostbarste geworden, das Ende allen Suchens. Einen Grund gab es nicht – es war so, und er wußte, schon lange vor Liszendir, daß eine Liebe (so schwammig und inhaltsleer dieses Wort auch im allgemeinen Sprachgebrauch war), die man erklären konnte, im eigentlichen Sinne keine war. Wenn man schon sagen konnte „weil …“, so war es schon vorbei – ein Teil der Vergangenheit. Er sagte zu ihr: „Auch ich habe diesen Wunsch. Was machen sie normalerweise, wenn es zwei Zlats sind, zwei von deiner Art?“
„Sie bleiben nur so lange zusammen, bis das Mädchen schwanger wird. Manchmal Tage, manchmal Wochen – aber nie lange. Jedoch bei dir und mir – ich weiß nicht recht. Sie haben uns nicht zusammengebracht, um weitere Zlats zu züchten; deshalb könnte es kürzer oder länger sein. Wer weiß schon, was sie mit uns vorhaben?“
Han lief es eiskalt den Rücken runter. Die Zlats und der ganze Rest waren Haustiere! Äußerst fruchtbar: auch ein Zuchtergebnis. Und keine Verhütungsmittel. Sie waren Lichtjahre entfernt. Während der langen Zeit mit Liszendir hatte er dieses Problem völlig vergessen. Er betrachtete Usteyin genauer, sah, wie sie ruhig unter der Lampe saß; die ausgefallen schöne Figur, die tiefgründigen, nachdenklichen Augen, ihr Geist, die starke Hingabebereitschaft … Nein! Er war sich sicher: Er würde dies bis zum Letzten durchstehen – was da auch kommen mochte. Er verspürte den plötzlichen Wunsch, sie ganz und für immer zu besitzen, etwas, das ihm bisher fremd gewesen war. Ja, dachte er, bis zum Ende, in der Zivilisation, auf Morgenröte oder, wenn es sein mußte, in der Hölle.
„Usteyin, wir haben noch viel vor uns.“
„Ich weiß.“
„Nicht nur mehr, als du zu wissen glaubst, sondern auch mehr, als du im Augenblick wissen kannst“, meinte er, indem er
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