Morgenrötes Krieger
sicher auf Kenten gelandet waren. Mit ihrem Attribut „Feuer“ konnte sie sich nur in einer Webe verweben, der das „Feuer“ noch fehlte, um so die Viererkombination Feuer-Erde-Luft-Wasser zu vervollständigen. Weder Han noch Usteyin konnten ihr dabei helfen, denn kein Ler hätte öffentlich über diese Sache gesprochen, nicht einmal untereinander und schon gar nicht mit Menschen, dem Altvolk – das stand völlig außer Frage.
So warteten sie in Plenkhander und ließen die Zeit an sich vorübergehen. Regen schwärzte die Bäume, die noch des Winters Kraft verspürten und des Nachts im Winde ächzten; der Geruch von Salz und Meer schwängerte die Luft in ihrem sanftblauen Zwielicht, und über die kopfsteingepflasterten Straßen ratterten und klapperten Hufe und Leiterwagen; kleine Kinder spielten heimwärtsgehend auf zierlichen Flöten seltsame Melodien oder trugen noch warme Brotlaibe zu jenen bunt gemischten Ellipsoiden, die unter Platanenbäumen kauerten. Sie aßen viel, schliefen ausgiebig, verbrachten die Tage mit Spaziergängen in der regenfeuchten Luft und schauten sich all das an, was ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse weckte. Usteyin wollte gar nicht weg, auch nicht nach Liszendirs Verwebung.
Die Webe-Häuser waren wie auf Chalcedon niedrige, willkürlich aneinandergebaute Ellipsoiden, meist umgeben von einer kleinen Mauer und überschattet von großen Bäumen. Dagegen waren die öffentlichen Gebäude eher nach menschlichem Muster entworfen: zwei- oder dreistöckig, quadratisch oder viereckig und nicht selten mit einer flachen Kuppel als Dach. Zwischen ihnen wanden sich scheinbar plan- und ziellos die Straßen. Wie Han schon von früher wußte, liebten die Ler keine auffallende Kleidung, auch waren sie niemals in Hast und Eile, selbst dann nicht, wenn sie nach Hause gingen. Manche Weben lebten über ihren Geschäften, doch galt dies als ein Zeichen von Armut – und somit kam es nur selten vor.
Aber zurück zur Realität, zur Gegenwart. Han näherte sich dem Teehaus, einem offenen, kuppelüberwölbten Gebäude mit Blick auf einen Landungssteg am Wasser. Der Himmel war bleiern und regenverhangen, und eine steife Brise türmte das graue Meer zu mittelgroßen Wogen – dennoch machte es keinen wilden und bedrohlichen Eindruck, im Gegenteil. Noch nie hatte Han so stark den Pulsschlag des Lebens in seiner ganzen Fülle und Tiefe empfunden. Er schaute hinüber, um zu sehen, ob er unter all den Besuchern im Teehaus Usteyin herausfinden könnte. Ja. Selbst auf diese Entfernung war ihr rotes Haar unübersehbar – kein Ler hatte eine solche Farbe; zudem trug sie es in lang herabfallenden, wilden Locken. Sie saß ruhig und unbeweglich auf ihrem Platz, nippte schlückchenweise an ihrem Tee und schaute mit der Gelassenheit und inneren Reflexion wie die Ler auf das wogende Wasser.
Han betrat das Teehaus, besorgte sich ebenfalls eine Kanne Tee und ging hinüber zu Usteyin. Als er sich an ihren Tisch setzte, drehte sie sich zu ihm um und lächelte ihn mit einem solchen Ausdruck des Friedens und der inneren Herzenswärme an, daß es ihn wie ein Blitz durchfuhr.
Er sagte: „Hast du dich während der Warterei gelangweilt? Es hat lange gedauert, bis ich diese Nachricht bekam.“
„Nein, nein, ich bin ganz vernarrt in diesen Ort, in die Lebensweise der Ler, die so ganz anders ist als die der Krieger. Es gefällt mir sehr. Und mehr als einmal habe ich mich dabei ertappt, wie ich mir wünschte, für immer hier leben zu können. Es ist so … na wie? Du bist doch der, der die Wörter kennt. Nein, ich habe mich nicht gelangweilt. Du weißt, ich beobachtete das Meer und erzählte ihm meine Geschichten – Geschichten ohne Ende. Wir haben auf Morgenröte kein Meer, nur ein paar Salzseen, wo es kein Leben gibt und die zudem noch übel riechen; dies hier ist für mich ein größeres Wunder als der Blick ins All. Aber ich weiß, daß es noch viel mehr zu sehen gibt – und ich möchte alles sehen.“ Han schaute mit gespieltem Ernst. Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, fuhr sie fort: „Na schön, der Hotelboy sagte, daß auf der Post eine lange Nachricht für dich sei. Worum geht’s?“
„Sie haben einen Planeten für die Klesh, nur für sie, weit weg von Morgenröte. Sie hatten ihn sozusagen als Reserve zurückgehalten, aber jetzt erfüllt er einen guten Zweck, zumal sie ja einen Ort ganz für sich allein brauchen. Nachdem ich dich nun eine Weile kenne, zweifle ich nicht daran, daß die Zlats sich zurechtfinden
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