Morgenrötes Krieger
spiele miteinander treiben; niemand versucht krampfhaft, sich dabei zu verstecken. Allerdings hat man als Kind an derlei Dingen kein weiteres Interesse – es ist nur k o misch, verstehst du? Aber eines Tages findet man es nicht mehr so komisch und will es selber probieren.“
Sie zögerte einen Moment lang, als grabe sie in ihren Erinnerungen, um sie noch einmal auszukosten und ihren Gehalt abzuwägen. Sie lächelte schwach. „Wie ich schon sagte, war ich recht spät dran. All meine gleichaltrigen Freunde stürzten sich wie wild auf dieses neuentdeckte Spiel, das sie nun miteinander treiben konnten. Ich selbst verstand gar nicht, warum es solche Wichtigkeit hatte. Eines Tages badeten wir nicht weit von unserem yos. Es war sehr warm, und ein Junge, Fithgwinjir mit Namen, den ich gut kannte, führte mich zum Strand. Ich hatte ein merkwürdiges und fremdartiges Gefühl. Ich sah, daß er anders war. Aber alles, was ich dabei empfand, war eine erwartungsvolle Spannung. Er sagte: ‚Liszen, laß es uns jetzt zusammen tun!’ Das war das erste Mal, daß mich jemand mit meinem Liebesnamen ansprach. Gewöhnlich benutzen wir als Kinder nur die erste Silbe des Namens. Die ersten beiden, wenn wir ins Reifealter kommen, sp ä ter dann alle drei. Ich sagte ihm daraufhin, daß ich nicht wüßte, wie man es macht. Er meinte, er werde es mir zeigen. Wir küßten uns und legten uns in den warmen Sand. Von den anderen schauten einige zu – aber nicht alle. Es hatte für sie keine Bedeutung: Wir waren ma d hainimoni, jene, die miteinander Liebe machten. Für mich aber war das Ganze von immenser Bedeutung. Ich hatte das Gefühl, von innen nach außen gekehrt zu we r den. Und natürlich liebte ich Fithgwin.
Danach wollte ich mit jemandem sprechen, wußte aber, daß die anderen Kinder bloß lachen würden; sie waren mir schon weit voraus, all das war nichts Neues für sie. Ich war damals zehn, meine Innenverwandten waren ungefähr fünf; sie wußten also noch nichts davon, und meine thes, Vindharmaz , war gerade im Säuglingsa l ter. So erzählte ich es meiner Erstmutter, meiner madh. Sie war sehr glücklich, als sie es hörte, da sie schon b e fürchtet hatte, daß ich ein Spätentwickler sein könnte.
Ich lernte schnell. Zuerst ist es so eine Art Spiel und Spaß. Etwas, das man eben macht. Danach aber verliebt man sich bis über beide Ohren. Man verbringt mit seinem Geliebten die Nächte zu Hause, dann macht man auch Gruppenspiele zusammen. Aber kurz vor zwanzig wird man ruhiger, praktiziert mehr und mehr die Gewohnhe i ten der Erwachsenen – alles in der Hoffnung, erwählt zu we r den, um als shartoorh eine neue Webe gründen zu kö n nen.
Nun ja, zurück zur Gegenwart. Wendyorlei war mein letzter Liebhaber. Als Schüler lebten wir zusammen in einem yos, der nicht mehr benutzt wurde. Wir empfanden gleich und hofften, zusammen bleiben zu können. Aber unsere Liebe war nicht sehr tiefgehend. Wohl kümmerte sich der eine um den anderen, so wie das bei zwei Li e benden üblich ist, aber jeder von uns hatte auch noch a n dere Liebhaber, die wir dem Brauch entsprechend nicht voreinander versteckten – zudem ist es eine Art Training, um nach der Verwebung der Eifersucht in einem yos vo r zubeugen.
Die Schulzeit war inzwischen zu Ende gegangen. Wendyor wurde zu Hause gebraucht – jenseits der Berge. Ich machte mir keine Illusionen. Ich bin sicher, daß ich ihn niemals mehr in den Armen halten werde.“ Sie atm e te schwer und tief.
Han erzählte ihr eine ähnliche Geschichte, eine von jenen Liebesabenteuern, bei deren Ende er damals g e glaubt hatte, daß die Welt zusammenbrechen würde. Aber auch solche, die nur ein oberflächliches Vergnügen für ihn waren. Er mußte zugeben, daß er viel später damit angefangen hatte und daß er an ihre große Erfahrung auf diesem Gebiet nicht heranreichen konnte.
„Jetzt verstehe ich“, sagte Liszendir, „warum du so vorsichtig bist. Wir dagegen können nicht schwanger werden, es ist somit ein unbeschwertes Vergnügen; der Preis, den wir zahlen, besteht allein im emotionalen E n gagement. Ihr aber seid eingeengt. Ein einziger falscher Schritt, und euer Leben wird euch aus der Hand geno m men, stimmt’s?“
„Ja.“ Das war alles, was Han dazu sagen konnte.
„Dein Name hat in seiner Form starke Ähnlichkeit mit einem Ler-Namen. Es ist für mich leicht, dich ‚Han’ zu nennen – in anderer Hinsicht jedoch wiederum auch nicht. Dieser Einsilber erinnert stark an ein Kind, aber du
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