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Morgenroetes Krieger

Morgenroetes Krieger

Titel: Morgenroetes Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Anthony Foster
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jetzt im Zusammenhang mit ihren vorherigen Äußerungen verständlicher und klarer; man würde ihm ein Menschenmädchen von unbekannter Größe und Aussehen aufdrängen und ihn aller Wahrscheinlichkeit nach dazu bringen wollen, sie als wohlfeiles Reizmitte l chen zu behalten. Wenn er wie Hatha oder die Krieger denken würde, so wäre dies ein leichtes: Nimm es und gebrauche es! Aber nach der Erfahrung mit Liszendir war ein solches Verhalten undenkbar – er würde sich für dieses Mädchen verantwortlich fühlen, stärker als für Liszendir.
    Einen Moment lang mußte er an das denken, was sie ihm auf Chalcedon gesagt hatte, als sie ein Gespräch über ihre verschiedenartigen Weltanschauungen geführt ha t ten: „Han, ihr Menschen entwerft eure Begriffssysteme zur Realität – eure praldwar, Sandsiebe, wie wir sie ne n nen – auf der Grundlage von Annahmen, die ihr als fe l senfest anseht und die ihr – wie Lungenfische einen fl a chen Uferstein – unter großen Anstrengungen und mit Ächzen und Stöhnen erklimmt. Was unser eigenes Wir k lichkeitsverständnis betrifft, so sind wir eher Chaoten, Rückkehrer ins Wasser. Es gibt nichts Dauerhaftes – ausgenommen den ewigen Kampf, den das Leben führt, um dem Universum seinen Willen, eine stete Fluktuation der Entropie, aufzuzwingen.“
    Für sie waren alle Lebewesen und auch viele unbele b te Dinge Individuen, denen man Respekt zu zollen hatte. Diese Einstellung zeigte sich auch in der Sprache; die Symbole hatten eine oder zwei Silben, Namen hingegen drei oder vier. Sie sagte damals: „Es ist natürlich nicht praktisch, sie alle zu benennen, aber wenn wir diese R e gel lernen, so wird uns stets gesagt, daß wir auf die We l len des Meeres schauen sollen. ‚Seht ihr diese Wellen?’ fragt der Lehrer. Jede hat ihren Namen – all die, die ihr sehen könnt, und auch all jene auf der weiten Welt, die ihr nicht seht, niemals sehen werdet, niemals sehen könnt. Wir werfen sie alle in einen Topf; wir sagen, dies sind Wellen; aber hütet euch davor, mit diesem Akt der Kategorisierung blind zu werden für das viel größere Faktum der Individualität einer jeden von ihnen.’“ In derselben Weise mußte er an die Mädchenkörper denken: süße, erfreuliche Dinger. Aber es war nichts Lässiges, nichts Leichtfertiges in der Beziehung zwischen Mann und Frau und das war die eigentliche Realität! Keine Entschuldigungen, mit denen man frühere Mißgriffe und Fehlverhalten zu verbergen und zu vertuschen suchte.
    Er sah das Resultat all dessen auf sich zukommen. Und merkwürdigerweise zog er aus dieser neugewonn e nen Einsicht in die Zusammenhänge ein Gefühl der En t spanntheit, so daß er augenblicklich in tiefen Schlaf ve r sank. Sein letzter Gedanke war nicht begrifflicher Natur, sondern rein imaginativ: ein seltsames Empfinden von Erfüllung, von dem er nicht sagen konnte, ob es aus der Veränderung seines eigenen Wesens resultierte oder aus dem, was er in dieser Nacht an Erkenntnissen gewonnen hatte.
     
    Am nächsten Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, wurden sie von demselben tückisch dreinblickenden Chefdiener geweckt, der sie anschließend zu jener großen Halle e s kortierte, in der sie den Abend zuvor diniert hatten. Hatha wartete schon und begrüßte sie gutgelaunt mit überschwenglicher Herzlichkeit. Besonders Liszendir gegenüber war er äußerst zuvorkommend und bot ihr einen Platz am Tisch an. Han beobachtete sein Verhalten sehr genau und war nach einiger Zeit davon überzeugt, daß sie grundsätzlich recht behalten hatte: Irgendwie w a ren sie in der Tat letzte Nacht beobachtet worden. Hathas Verhalten entlarvte ihn als heimlichen Mitwisser. Gut für sie, denn es bedeutete, daß er anfing, die Dinge falsch auszulegen. Einen kurzen Moment lang durchzuckte Han der Gedanke, daß vielleicht er es war, der Liszendir falsch verstand, daß sie vielleicht ein subtiles Doppe l spiel in Szene setzte. Aber nein! Der Gedanke zerplatzte wie eine Seifenblase. Sie war nicht subtil, sondern im Gegenteil eher direkt und unkompliziert. Wenn sie ta t sächlich die Trennung von ihm gewollt hätte, so wäre es für sie ein leichtes gewesen, diese mit einer unbegrenzten Anzahl von Methoden herbeizuführen. Wenn ihnen nur Hatha weiterhin in die Irre ging und er und Liszendir ihr Schauspiel durchzuhalten vermochten, bis sich die Gel e genheit zur Flucht ergab … Wenn, wenn!
    Han beteiligte sich nicht am Frühstücksgespräch, so n dern versuchte, einen mürrischen, resignierten und

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