Morgenstadt - wie wir morgen leben
ein größeres – virtuelles – Kraftwerk benehmen, wenn man sie intelligent miteinander vernetzt, hat das IWES bereits im Jahr 2009 bewiesen. Dr. Kurt Rohrig hat im Auftrag und in Zusammenarbeit mit den Unternehmen Enercon, Schmack Biogas und Solar World ein solches virtuelles Kombikraftwerk entwickelt. „Jede Energiequelle – sei es Wind, Sonne oder Biogas – hat ihre Stärken und Schwächen. Wenn wir die unterschiedlichen Charaktere der regenerativen Energien geschickt kombinieren, können wir die Stromversorgung in Deutschland sicherstellen“, freut sich Rohrig. „Wir haben die für die Steuerung nötige Soft- und Hardware realisiert. In dem Modellprojekt wurden beispielhaft drei Windparks, vier Biogas- und 20 Solaranlagen sowie ein ‚virtuelles‘ Pumpspeicherwerk über eine Leitzentrale bei uns am Institut zusammengeschaltet. Mit dieser koordinierten Steuerung kann das virtuelle Kraftwerk in Echtzeit Tag und Nacht bei jedem Wetter ein Zehntausendstel des deutschen Strombedarfs decken.“
Den Wissenschaftlern ist es durch die Vernetzung gelungen, die insgesamt 28 Anlagen wie ein herkömmliches Großkraftwerk zu steuern. Was im Kleinen möglich ist, lasse sich auf ganz Deutschland übertragen, betont der Energieexperte. „Um eine flächendeckende Versorgung zukünftig sichern zu können, muss man jedoch viele weitere Anlagen bauen, das Netz erweitern und die Speichertechnologie vorantreiben.“ 31
Heute steht die Forschung zum Smart-Grid-Konzept noch ganz am Anfang. In der Morgenstadt soll es nicht nur im Strombereich, sondern auch im Wärme- und Kältebereich Anwendung finden. Ein weiteres Element dieses Konzeptes ist die Umwandlung der Energieträger ineinander, um die Energie jeweils in der Form anzubieten, die gebraucht wird.
SPEICHER UND PUFFER FÜRS ENERGIENETZ
Im Rahmen eines Smart Grids gleichen sich Schwankungen in Angebot und Nachfrage teilweise, aber nicht vollständig aus. Die Verbraucher benötigen immer Strom, egal, ob gerade ein Sturmtief im Anmarsch ist und die Windkraftanlagen auf Hochtouren laufen oder Flaute herrscht, egal, ob die Sonne scheint oder nicht, ob Sommer oder Winter ist. Heute werfen die Versorger zusätzliche Kraftwerke an, wenn die Nachfrage steigt. Ist das Angebot an Windstrom zu hoch, schalten sie Windräder einfach ab. Die Energie, die man damit erzeugen könnte, wird also einfach weggeworfen – Verschwendung, die nicht sein muss.
Forscher vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) haben in Kooperation mit dem IWES ein pfiffiges Verfahren entwickelt, das diesem Missstand abhilft: Sie verwandeln den überschüssigen Strom in Methan: „Unsere Stuttgarter Demonstrationsanlage spaltet aus überschüssigem erneuerbarem Strom Wasser per Elektrolyse. Dabei entstehen Wasserstoff und Sauerstoff“, erklärt Dr. Michael Specht vom ZSW. „Durch eine chemische Reaktion des Wasserstoffs mit Kohlendioxid produzieren wir dann Methan – und das ist nichts anderes als Erdgas, nur eben synthetisch erzeugt.“
Das so erzeugte Erdgas kann man in das öffentliche Gasnetz einspeisen und dieses somit als Zwischenspeicher nutzen. „Bei der Entwicklung der Technik hat sich das ZSW von zwei Kernfragen leiten lassen“, erklärt Michael Specht: „Welche Speicher bieten eine ausreichende Kapazität für die je nach Wind und Wetter unterschiedlich stark anfallenden erneuerbaren Energien? Und welche Speicher lassen sich am einfachsten in die bestehende Infrastruktur integrieren?“
Das deutsche Erdgasnetz als Speicher zu nutzen ist eine geniale Idee. Seine Kapazität – also das gesamte Gas, das im Netz unterwegs ist – beträgt über 200 Terawattstunden, das entspricht dem landesweiten Verbrauch von mehreren Monaten. „Die neuentwickelte Technik lässt sich problemlos in die vorhandene Infrastruktur eingliedern: Das künstlich erzeugte Erdgas kann in Versorgungsnetz, Pipelines und Speichereingespeist werden, um dann Heizungen oder Gaskraftwerke zu versorgen“, sagt Professor Michael Sterner vom IWES, an dem die systemtechnischen Aspekte des Verfahrens erforscht werden. Eine im Auftrag von Solar Fuel in Stuttgart errichtete Demonstrationsanlage läuft bereits erfolgreich. Ab 2012 soll eine deutlich größere Anlage mit rund 10 Megawatt Leistung entstehen.
„In der Morgenstadt ließe sich Wasserstoff auch direkt als Ergänzung zum Erdgas nutzen“, meint Dr. Christopher Hebling vom ISE. Ebenfalls mit Hilfe von Überschussstrom, elektrolytisch
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