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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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nach zehn Jahren als reiche Leute wieder in die Zivilisation zurückzukehren. Mit der Zeit gewöhnten sie sich an das menschenfeindliche Klima. Als im dritten Jahr Agneta geboren wurde, war das Glück scheinbar perfekt.
    Die Lage begann sich erst zu verschlechtern, als für die Familien, deren Verträge abgelaufen waren, kein Ersatz mehr kam. Und das war für die Bergleute eine Katastrophe, denn die verbliebenen Arbeiter mussten nun alleine das Plansoll erfüllen. Die Erzgewinnung und der Kohlebergbau waren schon lange nicht mehr so ergiebig wie in den Jahren zuvor. Es war der Anfang vom Ende, aber wie hieß es so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.
     
    Wer sagt, dass die Sonne schläft, der lügt, denn sie geht nie dort auf, wo sie abends untergeht.
     
     
     
    Das Gedicht hatte Juri nun so erfüllt, dass er es atmete, sich von ihm treiben ließ und in ihm aufging, eins mit den unbekannten Worten wurde. Und als nach endlosen Stunden die Sonne aufging und die Berge für kurze Zeit in ein trübes Zwielicht tauchte, fühlte er sich leicht, beinahe beschwingt,als hätte er zu viel von Pranas’ Aquavit getrunken. Er hielt inne und keuchte glücklich.
    Vor ihm wand sich eine Schneise den Hang hinauf, die beinah wie eine befestigte Straße aussah und sich in der Gipfelregion verlor.
    Hastig lud er das Gewehr durch, zielte in den Himmel und drückte ab. Der Schuss wurde als Echo hin und her geworfen, brach sich an den Flanken des Tals und verlor sich schließlich in der Lautlosigkeit. Dann wartete er.
    Zunächst geschah nichts. Noch nicht einmal ein Hase raschelte im Strauchwerk. Außer seinem Atem und seinem Herzschlag hörte er nichts. Juri wollte schon ein zweites Mal abdrücken, als er aus der Ferne einen Schuss vernahm. Er war nicht laut, eher ein kaum wahrnehmbarer Wellenkreis, als hätte man einen kleinen Stein in einen Teich geworfen. Sie hatten ihn gehört! Nun würde alles gut werden!
    Doch dann folgte ein zweiter Schuss, schließlich ein dritter, vierter, fünfter. Juris Herz setzte aus. Das war kein Signal! Die Gruppe wurde angegriffen!
    So schnell Juri konnte, drehte er sich um und folgte seinen eigenen Spuren wieder zurück. Aus den vereinzelten Schüssen war jetzt ein hohles, unregelmäßiges Knattern geworden. Juri wusste, wie viel Munition die Gruppe noch hatte. Wenn Pranas und die anderen so weiterfeuerten, würden sie die Gewehre bald als Prügel benutzen müssen.
    Juri achtete nicht mehr darauf, möglichst kräftesparend durch den Schnee zu gleiten, es war mehr ein Laufen und Stolpern und Taumeln. Immer wieder fiel er hin, stand aber sofort wieder auf, um sich weiterzukämpfen.
    Plötzlich wurde Juri gewahr, dass das Schießen aufgehört hatte. Und das war schlimmer als jedes noch so bedrohliche Geräusch. Man hatte das Lager angegriffen, daran gab es keinen Zweifel. Aber warum wehrten sie sich nicht mehr? Erst im letzten Zwielicht der untergehenden Sonne sah Juri, warum. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn schreiend auf die Knie sinken.
    Der Schnee war vom Blut rot durchtränkt. Vor ihm lag Pranas, grässlich zugerichtet, das Gewehr noch in der Hand. Um ihn herum lagen die anderen Männer, auch sie waren kaum zu erkennen. Von den Frauen und Kindern war nichts zu sehen. Auch die Hunde waren verschwunden.
    Juri zwang sich auf die Beine. Eine dunkle Spur zog sich zum Eingang eines provisorischen Iglus. Juri wusste, was ihn dort erwartete, er wollte es nicht sehen. Und doch ließ er sich auf die Knie nieder und kroch hinein.
    Ein metallischer Geruch wie verrostetes Eisen hing schwer in der feuchten Luft. Nur mühsam konnte er ein Würgen unterdrücken. Mit zitternden Händen versuchte er die Karbidlampe zu entzünden.
    In ihrem Schein sah Juri das Ende seiner Welt. Alle waren tot. Ilya und Lorin und Margarete. Iveta lehnte an der Wand, den Kopf in den Nacken gelegt, und schien zu ihm hinüberzuschauen. Ihr gebrochener Blick traf ihn mitten ins Herz. An ihrem Hals klaffte eine tiefe Wunde. In ihren Armen hielt sie ein lebloses Bündel. Juri hob es vorsichtig hoch und drückte es an sich. Der kleine Körper war bereits kalt. Dann brach es aus ihm heraus. Juri heulte wie ein tödlich verletztes Tier und versuchte seine tote Tochter zu wärmen. Aber nichtswürde sie wiederholen und ihr Herz zum Schlagen bringen. Juris Schritte waren schwer, als er mit Agnetas Leiche im Arm vor das Iglu trat.
    Die bernsteinfarbenen Augen leuchteten paarweise in der Dunkelheit. Er konnte nicht sehen, wie viele Wölfe es

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