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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Sie kletterte von hinten auf den Bock, griff ihm in die Zügel und brachte das Pferd zum Stehen. Wütend funkelte sie Lennart an, der noch immer nach vorne starrte, die Lippen fest aufeinandergepresst.
    »Was soll das ?«, herrschte sie ihn an. »Ich kann ja verstehen, dass es Ihnen nach allem, was geschehen ist, nicht besonders gut geht. Aber das hier mache ich nicht länger mit! Ich lasse mich von Ihnen nicht wie eine Aussätzige behandeln. Sie wollen Ihre Kinder befreien? Dann sollten Sie sich langsam mit dem Gedanken vertraut machen, dass das ohne mich und meine Fähigkeiten nicht gehen wird! Sie fühlen sich von uns verraten, ist es nicht so? Hakon hat sie im Stich gelassen, obwohl er Ihnen versprochen hat, dass Ihnen und Ihrer Familie nichts zustößt, solange er bei Ihnen ist. Aber ist es nicht ein wenig ungerecht, ihm für all das Unglück die Schuld zu geben? Maura und Melina wurden von den Eskatay entführt, nicht von uns! Wir stehen auf derselben Seite! Geht das vielleicht in Ihren Dickschädel rein?«
    Hagen Lennart antwortete noch immer nicht.
    »Überlegen Sie es sich: Entweder stehen wir das gemeinsam durch, oder Sie sind von jetzt an allein!« Tess sprang vom Kutschbock, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute den ehemaligen Kriminalkommissar herausfordernd an.
    Tess erwartete nicht, dass er reumütig in Tränen ausbrechen würde, aber sie hatte gehofft, dass er nicken und ihr zumindest Recht geben würde. Doch Hagen Lennart starrteunbewegt geradeaus und schnalzte nur leise mit der Zunge.
Das Pferd trabte los und die Kutsche setzte sich in Bewegung.
    Wie vom Donner gerührt starrte Tess ihm nach. Sie stieß einen wütenden Schrei aus und bückte sich nach einem großen Stein. Beinahe hätte sie ihn nach Lennart geworfen, doch dann schleuderte sie ihn gegen einen Baum, wo er mit einem lauten Knall ein großes Stück aus dem Stamm riss und dabei in tausend Stücke zersplitterte.
    Dieser Sturkopf wollte in sein Verderben rennen? Bitte! Wenn es nach ihr ging, würde sie ihn nicht davon abhalten. Aber es ging nicht nach ihr, dazu stand zu viel auf dem Spiel. Tess stieß ein frustriertes Knurren hervor, verwünschte Lennart lautstark mit Worten, die selbst einem Hafenarbeiter die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten, und folgte der Kutsche in einiger Entfernung.
     
    Es war gegen Abend, als sie die ersten Vororte von Lorick erreichten. Die Stadt hatte sich seit der Ausrufung des Ausnahmezustandes verändert. Überall hatte die Armee Kontrollposten errichtet. Die Menschen gingen zwar immer noch den alltäglichen Geschäften nach, doch hatten ihre Bewegungen nun etwas Getriebenes, so als bereite es ihnen Unbehagen, den Schutz der eigenen vier Wände zu verlassen. Überall klebten Plakate, die die Bevölkerung dazu aufforderten verdächtige Personen sofort zu melden.
    Immer wieder passierten sie Kontrollposten, doch Tess, die in Jungenkleidern wie höchstens zwölf aussah, lief keine Gefahr, nach ihrem Ausweis gefragt zu werden. Ganz im Gegensatz zu Hagen Lennart.
    Doch der stellte sich geschickt an. Offensichtlich war ihm dieser Stadtteil vertraut. Er hatte die Kutsche in einem Mietstall untergestellt und sich zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt gemacht. Tess konnte nur raten, was er vorhatte. Wahrscheinlich war er klug genug, nicht seine Wohnung aufzusuchen, denn dort würden die Agenten des Ministeriums für Innere Sicherheit ganz bestimmt auf ihn warten.
    Auf den ersten Blick schienen sich die Bewohner zumindest hier im Viertel mit dem Ausnahmezustand arrangiert zu haben. Die Vorgärten der Backsteinhäuser waren so gepflegt wie immer, ein paar Kinder spielten auf der Straße mit einer Promenadenmischung und eine alte Frau fegte das Trottoir. Ein bierbäuchiger Mann stand im Eingang seines Hauses und schaute zigarrerauchend dem Treiben zu. Aber auch wenn die Szene auf den ersten Blick völlig normal aussah, spürte Tess die Anspannung, die über allem lag.
    Als Lennart am Haus des Dicken vorbeiging, musterte dieser ihn mit einem finsteren Blick. Tess blieb auf der anderen Straßenseite, immer darauf bedacht, Lennart nicht aus dem Blick zu verlieren, selber aber unentdeckt zu bleiben. Dennoch war sie wie der Mann, dem sie folgte, ein Fremdkörper in diesem Viertel, wo jeder jeden kannte und Fremde auffielen wie bunte Hunde.
    Sie würde vorsichtig sein müssen.
    Tess überlegte gerade noch, ob sie mehr Abstand zu Lennart halten sollte, als etwas Seltsames geschah. Zunächst war es nur ein

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