Morpheus #2
knöpfte sich eine cremefarbene Seidenbluse zu.
Dominick rieb sich den Schlaf aus den Augen und fuhr sich durchs Haar. «Ich komme mit. Ich ziehe mich nur schnell an», sagte er, während sie in die Hose schlüpfte und sich auf die
Bank am Fußende des Betts setzte, um sich die Schuhe anzuziehen.
«Was willst du dort machen? Das Morddezernat vom Beach Department ist da. Die kriegen das schon hin.»
«Bei einem toten Cop wird das FDLE sowieso auf den Plan gerufen. Außerdem ist es vier Uhr früh, und du musst garantiert in eine miese Gegend.» Er schwieg einen Moment. «Ich will nicht, dass du um die Uhrzeit allein gehst.»
Sie sah auf und lächelte ihn an. «Danke, aber ich brauche keinen Geleitschutz, mein edler Ritter. Ich schaffe das schon. Außerdem wird die miese Gegend wahrscheinlich gerade von hundert bewaffne-ten Polizisten durchkämmt. Es hat sich angehört wie auf dem Rummelplatz. Schlaf du noch ein bisschen. Vielleicht rufen sie dich ja doch nicht an, dann kommst du endlich mal auf deine acht Stunden Schlaf.» Sie ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.
Er wusste, es war sinnlos, mit ihr zu diskutieren.
C. J. war eine unabhängige Frau und dickköpfig dazu. Sie hatte in ihrem Leben genug erlebt, um sich mit gutem Grund davor zu fürchten, um vier Uhr morgens allein das Haus zu verlassen, doch er wusste, sie musste tun, was von ihr gefordert war, und sie würde die Ängste einfach beiseite schieben, die sich ihr womöglich in den Weg stellten. Seit drei Jahren waren sie ein Paar, und heute war sie noch viel mutiger als am Anfang, als er sie kennen ge-
lernt hatte. Während der Jahre bei der Polizei hatte er viele getroffen, die Opfer gewesen und später daran kaputtgegangen waren. Die vor Angst wie gelähmt waren, kaum noch einen Schritt vor die Haustür machen konnten. Die jede Fehlzündung eines Autos für einen Schuss hielten, vor dem sie in Deckung gingen. Bei C. J. war das anders. Es schien, als stellten ihre Ängste für sie eine Herausforderung dar, jeden Tag aufs Neue. Und so trat sie in ihrem Beruf den schlimmsten Verbrechern entgegen und halste sich immer neue Fälle auf, immer neue Tragödien. Wie eine Fallschirmspringerin, die nach einem Unfall, statt den Sport an den Nagel zu hängen, aus immer schwindelerregenderen Höhen springt.
«Ein toter Cop. Herrgott. Da unten ist sicher die Hölle los. Und Nicholsby hat nicht gesagt, was passiert ist?»
«Nein. Er hat nicht viel gesagt. Aber er klang ziemlich fertig. Ich mach mich lieber auf den Weg.»
Sie beugte sich zu ihm. Ihre Lippen waren kühl und schmeckten nach Pfefferminz. Es war ein zärtlicher, inniger Kuss. Er legte ihr die Hand in den Nacken, ließ ihr dunkelblondes Haar durch seine Finger gleiten und zog sie an sich. Mit der anderen streichelte er ihr über die Wange. Er vermisste sie, immer noch, jedes Mal, wenn sie fort war. Und er machte sich immer noch Sorgen, jedes Mal, wenn sie ging.
«Tut mir Leid», flüsterte sie. «Ich ruf dich an, sobald ich mehr weiß.» Dann richtete sie sich auf.
«Heute ist Samstag. Wenn ich zurückkomme, bringe ich Bagels mit.»
«Sei vorsichtig, bitte. Ruf mich an, wenn du da bist, und bleib auf der I95.» Die Interstate 95 war die Schnellstraße, auf der man von Fort Lauderdale nach Miami kam, eine Strecke von knapp fünfzig Kilometern. Es wurde von schrecklichen Dingen gemunkelt, die passieren konnten, wenn man hier zur falschen Zeit die falsche Ausfahrt nahm.
«Ja, Daddy», sagte sie liebevoll und ging zur Tür.
«Schlaf wieder ein. Und erzähl mir beim Frühstück, wie es sich anfühlt, ausgeschlafen zu sein. Ach, und vergiss nicht, Lucy rauszulassen.» Lucy war die taube Bassett-Hündin, die sich in diesem Moment neben Dominick zu einer Kugel einrollte, dort, wo C.
J. noch vor wenigen Minuten gelegen hatte. Sie tät-schelte Lucys Kopf. «Schnell zugeschlagen, was, Lucy? Das Bett war noch nicht mal kalt.»
«Wo genau musst du eigentlich hin?»
«Irgendeine Sackgasse, die von der 79. Straße abgeht.» Sie warf ihm einen Kuss zu. «Ich liebe dich», flüsterte sie. «Bis später.»
Die Schlafzimmertür schloss sich leise, und dann war sie fort.
ACHT
Dominick schlug die Decke zur Seite und schob die schnarchende Lucy weiter zur Mitte. Jetzt sprang auch C. J.s dicker alter Kater Tibby aufs Bett und legte sich dazu. Dominick zog sich ein Hemd über, dann streckte er sich und setzte Kaffee auf. Er würde nicht mehr schlafen können. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sein Telefon
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