Morpheus #2
unterwegs war, konnte er nur davon träumen, wie die Kollegen vom Betrugsdezernat abends um fünf nach Hause zu gehen.
Die Kaffeemaschine röchelte ein letztes Mal und verströmte ihren heimeligen Duft. Lucy kam aus dem Schlafzimmer geschlichen und schnüffelte nach etwas Essbarem. Dominick schenkte sich eine Tasse ein und warf Lucy einen Bonzo-Knochen hin.
Sie stieß ein glückliches Winseln aus und zog sich mit dem Leckerbissen in die Küchenecke zurück.
Es war ein gefährlicher Beruf. Jeder Cop wusste das, jeder akzeptierte es. Wenn die Schicht begann, legten sie die Schutzweste an und wurden so unablässig daran erinnert, dass Gefahren auf sie lauer-ten. Aber kein Cop glaubte, dass sein eigenes Dienstabzeichen die nächste Nummer sein könnte, die mit Code 10-7 über Funk verlesen wurde, ein letztes Lebewohl von der feierlichen Stimme eines Chiefs, während im Hintergrund der Trauermarsch eingespielt wurde. Wenn die Kugel kam, überlegte Dominick, kam sie für jeden Cop völlig unerwartet.
Lucy folgte Dominick auf den Balkon und rollte sich zu seinen Füßen zusammen, als er ans Geländer gelehnt seinen Kaffee trank. Elf Stockwerke unter ihm strömte das schwarze Wasser des Intercoastal Waterway vorbei und klatschte sanft an die Kaimauer. Langsam wurde es kühler, er spürte die kaum merkliche Veränderung der Luft. Es war fast Winter. Die Zeit der vollen Strände, der verstopften Straßen und der zweistündigen Wartezeiten in allen Restaurants. Er konnte das Quietschen Tausender von Reifen fast hören, wenn sich die Nordlichter aus ihren vereisten Garagen quälten und sich wie Zug-vögel auf den Weg nach Süden machten, in den Sonnenstaat.
Auf der anderen Seite des Kanals, hinter den Fe-rienwohnungen und billigen Hotels und den Hoch-häusern, die Pompano Beach und Fort Lauderdale überzogen, würden bald pink- und orangefarbene Streifen erscheinen und den dunklen Himmel zerreißen. Florida stand ein weiterer spektakulärer Sonnenaufgang bevor.
Dominick nippte an seinem Kaffee und wartete darauf, dass das Telefon klingelte.
NEUN
Während der Rushhour konnten die fünfzig Kilometer nach Miami Beach eine Ewigkeit dauern, doch um vier Uhr nachts brauchte C. J. kaum fünfzehn Minuten. Sie verließ die I95 an der 79. Straße und fuhr durch das düstere Randgebiet von Liberty City, wo Fenster und Türen der schmucklosen Häuser und kleinen Geschäfte mit schweren Eisengit-tern verrammelt waren. Selbst um diese Zeit hatten vereinzelte Pfandleihen die Fenster noch hell erleuchtet, und sie sah ein paar gesichtslose Gestal-ten, die ihrer Arbeit nachgingen. Wenige Kilometer weiter mündete die 79. Straße in den John F. Kennedy Causeway, der hinüber ins ruhigen North Bay Village führte, bevor sich die Straße über die schwarze Wasserfläche der Biscayne Bay spannte und sie direkt ins Zentrum von Miami Beach brachte.
Als sie den Causeway passierte, sah sie die blinkenden Blaulichter schon, die sich in einem Radius von mindestens zwei Häuserblocks um eine geschlossene Chevron-Tankstelle scharten. Muss ziemlich schlimm sein. Während ihrer zwölf Jahre im Amt waren in Miami etwa zwanzig Polizeibeamte im Dienst ums Leben gekommen. Und jedes Mal rief der Tod eines Kollegen die gleiche heftige Reaktion hervor: Keiner ruht, bis einer dafür gezahlt hat. Das galt für Streifenpolizisten und Detectives ebenso wie für die Staatsanwaltschaft und jeden anderen Mitarbeiter in den Justizbehörden. Dienst-anordnungen wurden zu persönlichen Rachefeldzü-
gen.
C. J. parkte auf dem Tankstellengelände hinter einem leeren Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht und machte sich auf den Weg zu einer Gruppe uniformierter Polizisten. Beamte vom Miami Beach P.D. und vom Metro Dade P.D. waren vor Ort, außerdem erkannte C. J. ein paar Männer der Florida Highway Patrol. Neben der Tankstelle befand sich ein großes leeres Grundstück, umgeben von einem zwei Meter hohen Maschendrahtzaun.
Dahinter sperrte das gelbe Flatterband der Polizei die schmale Gasse auf der Rückseite eines geschlossenen Elektrohandels.
Dutzende von Funkgeräten plärrten und rausch-ten. C. J. ging auf die Polizisten des MBPD zu, die am Zaun standen. Die erste Riege.
Sie zog ihre Marke hervor. «Weiß jemand, wo ich Nicholsby vom Morddezernat Miami Beach finde?
Ich bin von der Staatsanwaltschaft.»
Der Kreis öffnete sich schweigend und ließ sie durch. Nun sah C. J. den Streifenwagen des MBPD, der in der Gasse stand. Lautlos kreisten die blauen und
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