Morpheus #2
selbst ein Frischling von der Polizeiakademie kapierte, dass es ans Eingemachte ging. Sie wurden ausschließlich von Major Crimes betreut.
Die zehn Elitestaatsanwälte der Major Crimes hatten ein vergleichsweise niedrigeres Pensum an Fällen zu bearbeiten, doch diese Morde waren Aufse-hen erregend, sie waren haarsträubend, die Fakten grausam und brutal, die Sachlage komplex und vielschichtig. Den meisten, wenn nicht all ihren Angeklagten drohte als Höchststrafe der Tod – durch die Giftspritze oder den elektrischen Stuhl. C. J. war seit zwölf Jahren im Amt, die letzten sieben hatte sie bei Major Crimes verbracht.
Selten wurde ein Betrugsfall um drei Uhr morgens aufgedeckt, doch es wurden genug Morde in der Stadt verübt, dass die Pager der Mordbereit-schaft regelmäßig nach Mitternacht losdudelten. Ein weiterer Grundsatz von Jerry Tigler war, dass Mordfälle vor Ort beurteilt werden mussten. Was bedeutete, dass der Gerufene nicht nur aus dem Bett geklingelt wurde, sondern auch aus dem Haus musste. Als Anklägerin der Major Crimes hatte C. J. alle acht Wochen Pager-Dienst. Als stellvertretende Leiterin war sie obendrein immer über den Pager erreichbar, wenn es um Schusswaffengebrauch oder sonstige Gewalt gegen einen Polizeibeamten ging.
Ein zusätzliches Bonbon. Gedanken an den Wechsel zu einer Uni-Karriere drängten sich ihr immer wieder auf, wenn um drei Uhr morgens der Alarm losging.
«Vorsicht. Bleib unter der Decke und mach die Augen zu», warnte sie, bevor sie das Licht anknips-te. Stöhnend zog sich Dominick das Kissen über den Kopf.
Während sie die Nummer wählte, fragte er: «Zu was bist du eingeteilt? Mord?»
«Diese Woche beides», sagte sie, als sie das Freizeichen hörte. «Schlaf wieder ein. Ich muss wahrscheinlich raus, egal, was es ist.»
Am anderen Ende meldete sich eine Männer-
stimme. «Nicholsby.»
Sie kannte den Namen. Er gehört zum Morddezernat von Miami Beach. «Detective Nicholsby, hier ist C. J. Townsend von der Staatsanwaltschaft. Ich habe gerade Ihre Nachricht bekommen – »
«Ach, ja, Ms. Townsend. Ich habe mit der Zentrale gesprochen. Man hat mir gesagt, dass Sie heute Nacht zuständig sind. Sie machen Major Crimes, richtig?» Der Detective klang unangenehm angespannt – normalerweise sollte der Fund einer Leiche um vier Uhr früh für einen Mann in seiner Funktion doch keine allzu große Überraschung sein. C.
J. wusste aus Erfahrung, dass die Leute vom Morddezernat sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen ließen. Meistens machten sie sich sogar einen Spaß daraus, den zimperlichen Juristen der Staatsanwaltschaft die schaurigen Details lang und breit auszumalen, und das vor dem Frühstück.
«Ja, Detective», bestätigte sie. «Ich mache Mord, aber auch Waffengebrauch gegen Polizeibeamte.
Worum geht es, Mord oder Polizei?»
«Also, es ist ein Mord.» Er zögerte. «Aber das ist nicht alles.»
«Mehrere Personen?»
«Nein. Nur einer – aber… also, es ist ziemlich schlimm.» Im Hintergrund hörte sie das Heulen mehrerer Polizeisirenen. Es klang nach einem richtigen Auflauf. Sie hörte, wie Nicholsby lange an seiner Zigarette zog, bevor er fortfuhr. «Ich habe einen toten Cop hier, Ms. Townsend. Und er ist übel zugerichtet.»
SIEBEN
«Verdammt», sagte sie leise und massierte sich die Schläfen. Sie konnte die Kopfschmerzen kommen fühlen. Dann streichelte sie sanft über Dominicks Rücken. «Ich muss los, Schatz.»
Dominick Falconetti hörte ihr an, dass etwas Schlimmes passiert war. Er spähte unter dem Kissen hervor. «Was ist los?»
Sie sah ihn an. Mit kastanienbraunen Augen blinzelte er ins helle Schlafzimmerlicht, sein graubraun meliertes Haar war ganz verwuschelt. Sie schüttelte den Kopf. «Ein Polizist», sagte sie leise.
«Ein Schusswechsel? Wo? Welches Depart-
ment?»
«Nein, kein Schusswechsel.» Sie holte Luft. Sie wusste, dass es ihn nicht kalt lassen würde. Es war immer hart für einen Polizeibeamten, wenn ein Kollege im Dienst getötet wurde. Es würde ihn belasten, selbst wenn er den Mann gar nicht gekannt hatte. «Mord, Dom. Ein Polizist im Dienst. Tut mir Leid. Mehr weiß ich nicht, nicht einmal seinen Namen.»
Dominick setzte sich auf. «Scheiße. Ein Cop?
Was zum Teufel – wie? Wo?»
«Ich habe mit Nicholsby in Miami Beach gesprochen.» Sie stand auf und verschwand im begehbaren Kleiderschrank. «Er hat nichts gesagt, außer, dass ich kommen soll.» Als sie wieder herauskam, hatte sie eine braune Hose über dem Arm und
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