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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Baehr
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Bahnhofstraße führte, die im Volksmund ›Amtmannsgasse‹ hieß.
    »Ich dachte, das Bezirksamt befindet sich im Nachbarhaus der Kirche, in der wir 1849 einquartiert waren«, sagte Moser.
    »Nun, Herr Kriminalrat, unsere Stadt hat sich in den letzten vierzig Jahren stark verändert, vor allem seit dem Eisenbahnanschluss. Das Bezirksamt residiert schon seit über zehn Jahren in einem großen Neubau hier links in der Bahnhofstraße. Gegenüber steht das neue Justizgebäude mit anschließendem Gefängnis. Das alte Bezirksamt neben der oberen Kirche dient heute anderen Zwecken. Es gehörte früher einem landgräflichen Offizier, bevor es vom Staat erworben wurde. Eigentlich war das Haus von Anfang an zu klein für das Amt. Auch die obere Kirche, in der Sie seinerzeit untergebracht waren, ist längst renoviert und wieder in Gebrauch. Soviel ich mitbekommen habe, soll sie nächstes Jahr sogar erweitert werden. Unsere Stadt ist im Moment stark am Wachsen, müssen Sie wissen. Überall schießen neue Fabriken aus dem Boden, die permanent weitere Arbeitskräfte benötigen«, erläuterte Sehnert.
    Mittlerweile hatten die beiden Herren das Portal des Bezirksamts erreicht. Moser staunte über den großzügigen Bau, der an einen italienischen Renaissancepalazzo erinnerte. Auch das gegenüberliegende Amtsgericht war von ähnlich stattlichen Ausmaßen.
    In Sehnerts Büro im Dachgeschoss angekommen, legte Moser Hut und Mantel ab und setzte sich auf den Stuhl neben den Schreibtisch des Inspektors. Inzwischen trat auch Greiner ins Zimmer und fragte, ob er ihm etwas anbieten könne.
    Der Kriminalrat lehnte dankend ab und begann ein Zwiegespräch mit Sehnert. »Um noch einmal auf den Waffenfund zurückzukommen: Sie meinen offenbar, dass dieser mit dem Mord zusammenhängt?«
    »In der Tat«, antwortete Sehnert, »ich denke, die Sache liegt doch auf der Hand. Der Fundort der Leiche ist keine fünfzig Meter vom Standort der Kiste, die übrigens ebenfalls mit Reisig bedeckt war, entfernt. Der Mord und die Waffe müssen zusammenhängen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Koloman – oder wie der Tote auch immer heißt – wegen diesem Châtellerault-Gewehr erstochen wurde.«
    »Verstehe ich Sie richtig: Sie sind der Meinung, dass Zoltán Koloman nicht der wirkliche Name des Toten ist?«
    »Ja, Herr Kriminalrat, ich habe mich inzwischen mit Ungarn beschäftigt. Zoltán und Koloman sind alte Königsnamen. Natürlich kommen die auch heute noch vor. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass mit dem Namen etwas nicht stimmt. Denn ›Koloman‹ ist eigentlich die österreichische Version des Namens, auf Ungarisch müsste es ›Kálmán‹ heißen. ›Zoltán‹ entspricht dagegen tatsächlich der in Ungarn gebräuchlichen Schreibweise. Allerdings hat die k.u.k-Regierung oft nur die Nachnamen an die österreichische Amtssprache angepasst.«
     
    »Wir müssen systematisch vorgehen, Sehnert. Was wissen wir denn? Wir haben einen toten ungarischen Gleisbauarbeiter, der offenbar am 31. Januar verschwand. Und wir haben eine der Pfalzbahn gehörende Kiste mit den Einzelteilen einer neuartigen Waffe. Sonst nichts …, auch für den Anfang eigentlich zu wenig«, ermahnte Moser. »Als Nächstes müssen unbedingt die Habseligkeiten des Toten überprüft werden, sobald wir nachher den Leichenfundort beziehungsweise vermutlichen Tatort besichtigt haben. Anschließend möchte ich noch einmal die Kameraden unseres Toten verhören. Vielleicht wäre auch eine nochmalige Vernehmung des Tunnelwärters sinnvoll. Eventuell hat er ja etwas bemerkt, was ihm zwar unwichtig erscheint, für uns jedoch einen wichtigen Hinweis darstellt«, erklärte Moser weiter.
    »Herr Kriminalrat, meinen Sie, dass wir schon einige Personen dem engeren Täterkreis zuordnen können?«, fragte Sehnert.
    »Nein, bisher sind alle verdächtig. Auch dieser Kettenring. Wie natürlich sämtliche anderen Mitarbeiter des Lagers und die Tunnelwärterfamilie. Vielleicht müssen wir aber den Täterkreis noch erheblich erweitern. Denn dieses französische Gewehr …, da könnte mehr dahinterstecken. Wie sieht es denn eigentlich mit anderen Mordfällen in der betreffenden Gegend aus?«, wollte Moser wissen.

Zwei ungeklärte Morde
     
     
    »Morde sind bisher nur selten in der Umgebung von Münchweiler passiert; und schon gar nicht direkt in der sogenannten Wesch östlich des Tunnels, wie das Waschtal im Volksmund heißt«, erklärte Sehnert. »Aus den Aufzeichnungen meines Vorgängers ist mir nur

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