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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Baehr
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Gepäckaufbewahrung deponieren.«
    Moser gab seine Tasche ab und ging auf den Bahnhofsvorplatz. Die Station lag auf einer hohen Terrasse, von der ein abschüssiger Weg bis zur Staatsstraße hinabführte. Das beschriebene Gasthaus, ein großes, aber schmuckloses Bauwerk mit zwei Stockwerken und hohem Dach, war mit seiner hinteren Schmalseite fast in den aufragenden Hang unterhalb der Bahnlinie hineingebaut. Das Haus schien bereits ein hohes Alter zu haben, wirkte jedoch recht einladend. Auf einer Seite schloss sich ein geräumiger Hof an, umgeben von den Wirtschaftsgebäuden und Stallungen. Im Hof standen einige verschneite Bänke und Tische unter zwei alten Bäumen, die Moser an die Biergärten seiner niederbayerischen Heimat erinnerten.
    Der Haupteingang des Hauses war geschlossen. Moser gab jedoch nicht auf und klopfte an eine der hinteren Türen, die von einer Magd geöffnet wurde. Er fragte, ob er denn trotz der fortgeschrittenen Stunde noch etwas zu essen bekommen könnte. Die Magd sagte, sie müsste Herrn Wadle, den Wirt, fragen. Moser solle aber schon einmal in die Gaststube gehen. Wenig später erschien die Frau des Wirts und erklärte, dass sie im Moment nur ›Hoorische‹ anbieten könne, die noch vom Mittagstisch übrig waren. Moser kannte dieses für die Gegend typische Gericht noch von früher und willigte ein. Außerdem fragte er die Wirtin, ob ihn jemand zum Eisenbahnerlager am Tunnel bringen könne. Inzwischen war auch Wadle, der Besitzer der Wirtschaft, in die Gaststube gekommen. Natürlich konnte er seine Neugier nicht verbergen und wollte wissen, was denn ein Kriminalrat aus München in dieser Gegend zu tun hätte.
    »Ach, dann kommen Sie bestimmt wegen dem Explosionsunglück. Ich habe ja immer gewusst, dass die Eisenbahn den Untergang unserer Gegend bedeutet. Da sind doch bestimmt über hundert Leute umgekommen. Nur, weil die in der Stadt ihre Schuhe schneller fortbringen und immer reicher werden wollen, müssen wir armen Wirtsleute darben. Seit Eröffnung der Strecke mit diesem fauchenden Ungetüm 1875 will kein Mensch mehr bei uns übernachten. Es ist eine Schande, so was …«
    Moser fragte Wadle, was er denn von diesem Unglück an der Bahnlinie wüsste. Es stellte sich heraus, dass zwar viele Gerüchte in der Bevölkerung des Tales über dieses Ereignis umliefen, jedoch keiner mitbekommen hatte, was tatsächlich geschehen war. Moser ließ Wadle in dem Glauben, er sei wegen der Ermittlungen über das Explosionsunglück gekommen, und aß seine ›Hoorische‹ mit großem Appetit.
    Der Kriminalrat unterhielt sich anschließend angeregt über die bevorstehende Antrittsreise des seit eineinhalb Jahren amtierenden Prinzregenten und versprach, seinen Einfluss geltend zu machen, dass Seine Majestät zwischen Landau und Zweibrücken auch auf der Kaltenbach Station machen solle. Wadle schien davon sehr angetan und meinte, sein Knecht, der Hannes, müsse nachher ohnehin noch nach Pirmasens fahren und Bier holen. Da es kein großer Umweg war, nicht die vor etwa vierzig Jahren fertiggestellte neue Hauptstraße zu benutzen, sondern die alte über den Tunnel zu nehmen, könnte Moser von Hannes am Eisenbahnerlager abgesetzt werden. Moser dachte: besser schlecht gefahren als gelaufen, und bedankte sich herzlich für das Angebot.

Die Fahrt zum Eisenbahnerlager
     
     
    Eine halbe Stunde später saß Moser frierend auf dem Bock des ungefederten Bierwagens neben Hannes. Eigentlich wollte dieser zunächst den Schlitten nehmen, da dessen Sitz jedoch für den Kriminalrat noch unbequemer gewesen wäre, hatte Wadle doch den Wagen anspannen lassen, auch wenn dieser sich auf der verschneiten Straße abmühen würde.
    Hannes war ein etwas grobschlächtiger, gutmütiger Mann um die dreißig, der in Hinterweidenthal wohnte, wie Moser erfuhr. Der Knecht erzählte, dass bis in die 1840er-Jahre der gesamte Verkehr von der Rheinebene zur preußischen Grenze im Saarkohlenrevier über die enge und steile Straße vom Ausspann an der Kaltenbach über den Berg nach Münchweiler verlief, die sie nun benutzten. Moser hatte von der Pfälzischen Wasserscheide, die seit 1875 von einem fast einen Kilometer langen Eisenbahntunnel unterfahren wurde, schon einmal gehört. Die neue Straße von der Kaltenbach über die Walmersbach führte – an Münchweiler vorbei – direkt nach Pirmasens und war zur Hochzeitsreise des preußischen Kronprinzen vom Rhein an die Saar fertiggestellt worden. Der Zustand der alten Straße hatte sich seit

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